Pennys Wochenrückblick Folge 74: Ein fehlendes Jott, eine Verschaltung und viel Nudelsalat!
Der Mensch ist ein Nomade.
Das wird landauf und landab behauptet und zwar in regelmäßigen Zeitabständen.
Der Mensch ist ein Nomade.
Er zieht gern umher, der Mensch, so heißt es. Sesshaftigkeit, das wäre nur der notwendige Gemütszustand zwischen zwei Umzügen.
Der Mensch ist ein Nomade.
Er könne einfach nicht lange Zeit an einem Ort verweilen, er sucht das Neue, das abenteuerliche, neue Reize, eine neue Umgebung, neue Nachbarn.
Der Mensch ist ein Nomade und manche Menschen reden viel Unsinn.
Das Märchen von Leuten, die aus reiner Liebe an Bewegung einfach mal von heute auf morgen ihren ständigen Wohnsitz paralysieren, muss aus einer Zeit stammen, in der das Wort „Umzug“ für diese Leute bedeutete, einfach ohne Sack und Pack aus dem Haus zu gehen, einen langen Weg entlang zu schlendern und in ein neues und frisch renoviertes Heim einzuziehen. Mit anderen Worten: So eine Zeit hat nie existiert.
Schon zur von materialistischen Dingen nicht gerade überladenen Steinzeit war es nicht damit getan, einfach nur aus seiner Höhle hinauszutreten, stur in eine Richtung zu latschen und den ganzen Steinzeitkladderadatsch in eine neue Höhle zu schmeißen. Das Ganze musste logistisch sorgfältig geplant werden. Viele Fragen galt es zu beachten.
Wer trägt das ganze Werkzeug?
Wer zieht an des Frauen Frisuren?
Wie transportieren wir unser Lagerfeuer?
Bekommen wir den Mammutkopf aus dem Eisfach wieder heraus?
Umzugsunternehmen waren noch nicht erfunden und der Weg von Höhle A nach Höhle B war gepflastert mit faustgroßen Kieselsteinen und lauernden, sabbernden Säbelzahntigern.
Und abgesehen davon konnte hinter jeder Ecke eine Eiszeit lauern, die sich überlegen könnte, spontan auszubrechen. Ohne wärmende Höhle steht man da schnell auf der Verliererseite, evolutionstechnisch gesehen.
So kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen schon früher über soviel Intelligenz verfügten, dass sie die Erkenntnis gewannen, es wäre besser zu bleiben wo man ist.
Heute ist es nicht viel anders.
Umzüge sind für viele Menschen der blanke Horror, doch niemand gibt es zu.
Das gipfelt dann in einen ungeheuren Akt der Selbstverleugnung, in dem viele sich zu folgender Aussage hinreißen lassen:
„Wir ziehen nächsten Samstag um!“
Falsch!
Der Umzug, der beginnt viel früher, beim fremde Wohnungen anschauen, geht weiter beim Möbelhäuser anschauen, erklimmt den Gipfel der Umzugslust beim Kisten packen und hört erst auf, wenn man Monate nach dem eigentlichen Einzugstermin endlich die Stühle in der passenden Bezugsfarbe vom Möbelhaus geliefert bekommt.
Menschen, die also behaupten, sie würden „innerhalb weniger Tage umziehen“, wollen wir wegsperren und nicht auf Gefängnisdächer klettern lassen, bis sie einsehen, dass so was mindestens sechs Monate dauert.
Sämtliche Vorteile eines Nomadendaseins müssten eigentlich spätestens in dem Moment verschwinden, in dem man beginnt, eine der gefühlten siebentausend Umzugskartons zu packen. Beim herumwühlen in hinteren Bereichen gewisser Schränke tut sich das Grauen auf:
Dinge, die wir nie finden wollten, springen hervor und erinnern uns peinlich genau an unsere Unfähigkeit zu einer gewissen Ordnung. Anders kann man es sich nicht erklären, warum ich in der letzten Woche einen Postkartenkalender fand.
Von 2006.
Nun, ich habe immerhin noch einen Monat Zeit, ihn aufzustellen, Glückwunsch an mich selbst.
Auch gehören Diskussionen mit dem Partner bezüglich gewisser Gegenstände unweigerlich zu einem Umzug dazu:
„Aber warum soll ich denn diese schöne [hier einen albernen und nicht schön anzusehenden Gegenstand Eurer Wahl einfügen] wegwerfen, das kann man doch noch benutzen!“
„Weil der [hier den albernen und nicht schön anzusehenden Gegenstand von eben einfügen] nun unbenutzt seit 15 Jahren in den hintersten Ecken des Schranks gelegen hat!“
Solche Diskussionen wären an sich nicht problematisch, wenn es nicht sehr viele Gegenstände geben würde, die der Diskussion bedürfen und diese nicht jedes Mal zehn Minuten in Anspruch nähmen. So kann man an einem verregneten Sonntagnachmittag immerhin anderthalb Umzugskisten schaffen.
Aber nicht nur das Finden sinnloser Dinge gestaltet sich problematisch, nein auch das Verlieren recht sinnvoller Dinge ist etwas, was die Nervenheilanstalten dazu veranlasste, vor Jahren „Umzugs-Abteilungen“ mit vielen durchgedrehten Patienten in ihre Gummi-Burgen einzurichten.
Ich verlor ein Jott.
Ja, ein Jott.
Und zwar auf tragische Weise.
Es wurden Überlegungen geäußert, die Tastatur meines PCs zu säubern, denn ich verfüge über die unangenehme Eigenschaft, meine Zähne in krümelnde Nahrungsmittel hineinzuschlagen, während meine Finger über die Tasten huschen. Warum man das unbedingt an der Schnittstelle von zwei Wohnungen erledigen muss, weiß man leider nicht, aber das ist auch egal, bewaffnet mit einer Nagelfeile amputierte ich also sämtliche Buchstaben von meinem Keyboard und man kommt sich vor wie ein feinfühliger und emsiger Arzt, der einem mit der Flinte angeschossenen Patienten das Schrot aus dem Hintern pickt. Natürlich habe ich vorher die Tastatur mit der Digitalkamera vorher fotografiert, so dass ein späteres Widerannähen der amputierten Buchstaben kein Problem darstellt. Hier kann man sich über die Erfindung der Digitalkamera freuen, noch vor Jahren hätte ich mit einer analogen Kamera so schnell drei Umzugstage durchs Bilderentwickeln verloren.
Nun, was unter der von Buchstaben befreiten Tastatur zum Vorschein kam, hätte viele schreien lassen. Aus den dort sesshaft gewordenen Krümeln und Nahrungsmittelresten hätte man bequem wieder Brötchen zusammenkleistern können, so viele Brötchen, dass es gereicht hätte, die Bevölkerung Zyperns ein Jahr lang zu versorgen.
Abwegig der Gedanke?
Kann sein, aber wer weiß, all die belegten Semmeln, die wir so essen, könnten ja auch ursprünglich mal in einer Tastatur gelegen haben. Wer weiß das schon so genau. Wir leben in einer globalisierten Welt.
Angeekelt von der Sauerei beschloss ich, all meine vollgekrümelten Buchstaben in einen Gefrierbeutel zu bugsieren, diesen mit Wasser zu füllen und ordentlich durchzuschütteln. Die erste Tastaturbuchstabenwaschmaschine der Welt war geboren und erfunden, Millionen…ach was, Millarden würde ich mit diesem Patent verdienen, niemals wieder auf der Welt würde jemand die Buchstaben seiner Tastatur in einen Gefrierbeutel waschen dürfen, ohne mir vorher ein paar Euro auf mein Konto zu überweisen.
Dachte ich zumindest.
Denn beim auskippen all meiner Tasten ins Waschbecken habe ich nicht beachtet, dass das Abflussgitter am Ausguss nicht ganz fest war und schon rutschten mein A, mein L, meine 5 und die Pfeil-nach-unten-Taste in das stinkende Rohr. Sicherlich kann man sich vorstellen, dass ich schon da ein bisschen verzweifelt geschaut habe.
Aber kein Ding, Siffon abschrauben, Buchstaben rausholen, noch mal waschen, auf nem Zewa auslegen und über Nacht trocknen lassen. Dann - der Sonnenaufgang hat dem Tag seine Existensberechtigung zurückgegeben - setzte ich die Buchstaben wieder ein. Da fühlt man sich nicht mehr wie ein Schrot-Arzt, vermutlich, weil man den wenigsten Patienten Kugeln in den Hintern wieder reindrückt.
Ein Schrei. Ein lauter Schrei.
MEIN JOTT.
Es war weg. Aber das konnte nicht sein, der Ausguss war frei, der Boden wurde abgesucht. Es konnte nicht weg sein.
War es aber. Ich würde nie wieder „Ja“, „Jahr“ oder „Jojo“ schreiben können, nur „a“, „ahr"oder „o o“!
Mit einem Schlag wurde ich meiner Kommunikationsmittel beraubt, ich fühlte mich sprachlich amputiert, die Rache der Buchstaben für die nicht standesgemäße Brötchenbehandlung meinerseits?
Wo ein neues Jott herbekommen?
Eins klauen?
Um Himmels willen, nein.
Nachfragen beim Computerfachhandel.
Haben sie Jott’s?
Nein, haben wir nicht.
Wo bekomm ich ein neues Jott her?
Die Firma anmailen.
Die Firma anmailen?
Wie soll das denn aussehen?
Sehr geehrte Damen und Herren bei Logitech:
Ich habe leider einen Buchstaben auf meiner Tastatur verloren, die Umstände spielen keine Rolle. Ich kann Ihnen leider nicht mitteilen, welcher Buchstabe es ist, kann ihn a nicht drücken, aber sein sie gewiss, er befindet sich zwischen dem H und dem K.
Schicken sie mir bitte einen neuen Buchstaben zu.
Verliert man sein „E“, kann man sich vorstellen, wie schlimm die Email dann wohl ausgesehen hätte.
Die Mail geht dann bei Logitech ein, alle im Büro lachen sich kaputt und dann greift ein Buchstabensortierer in die Jott-Kiste und schickt mir eins zu.
Da ich mir diese Blöße nicht geben konnte und aus dem Umstand heraus, dass ich mein Tippbrett nicht ganz von den Brötchenkrümeln befreien konnte (ich verzehrte einige Semmeln mit Honig), ging ich den einfachen Weg und kaufte eine neue Tastatur.
Tipp der Woche also für alle PC-Besitzer: Esst nicht in dem Raum, in dem sich Eure Eingabegeräte befinden.
Nun, wie bereits erwähnt. Bei einem Umzug verliert man Sachen und man bekommt welche dazu. Sachen, die man nicht will. Und Zustände.
Ich bekam eine Verschaltung.
Genau.
Eine Verschaltung.
Hört sich ein bisschen an, wie die digitale Mischform von „Erkältung“ und „Verkalkung“. Fühlte sich auch so an.
Eigentlich hätte alles ganz einfach sein sollen: Um der neuen Wohnung mitzuteilen, dass die eigene Telefonnummer nun auch mit umzieht und nicht einfach in der alten Wohnung verweilen darf, kommt ein Mann von der Telekom heraus, um der Telefonnummer freundlich zu erklären, dass sie gefälligst mit umzuziehen habe.
So ein Mann war auch da, er fummelte am Kellerkasten herum, murmelte mystische Sachen in die Drähte, geheimnisvolle Roaming-Formeln müssen es gewesen sein.
Was zur Folge hatte, dass uns niemand mehr anrufen konnte und wir selber nun eine ganz andere Nummer auf unseren Handy-Displays sahen, wenn wir uns selbst anriefen. Internet ging auch nicht.
Eine Verschaltung.
Kabelhusten.
Funk-Diarrhö.
Aber so was wäre innerhalb eines Tages erledigt, sagte man.
Innerhalb eines Tages.
Von der Telekom.
Durch empirische Erfahrungswerte war mir klar, dass die mir nicht mal ein Jott zuschicken könnten, wenn sie nen ganzen Eimer voll davon hätten.
Wie sollten die da eine Verschaltung behandeln?
Alle Apotheken in meiner Nähe konnten mir auch nicht weiterhelfen, nix von Bayer, nix von Ratiopharm, nix hilft bei Verschaltung.
Nach fünf Tagen erledigte sich das Problem, natürlich musste noch mal jemand kommen und Formeln in den Verteilerkasten reinzischeln, diesmal waren es scheinbar die richtigen.
Sonst könntet ihr den Wochenrückblick ja hier nicht lesen.
Zum Schluss müssen wir noch einen weiteren Unsinn aufräumen. Die Legende der ersten Nacht in einer neuen Wohnung.
Was man da träumt, das wird wahr.
Das möchte ich nicht hoffen. Denn nach einem Tag voller Kistenschlepperei, Transporterfahrerei, Möbelabwischerei, Macken-die-frisch-gestrichene-Wand-Hauerei, Frikadellen-und-Nudelsalat-verdrückenrei sind die Träume meist von nicht gemäßigter Natur. Und wo soll ich bloß einen grün lackierten Baby-Elefanten herbekommen?
Und wie bringe ich ihn dazu, mit mir auf seinem Rücken durch den Porzellanladen mit den Riesentassen zu reiten?
Wie?
WIE BLOSS?
Das wird landauf und landab behauptet und zwar in regelmäßigen Zeitabständen.
Der Mensch ist ein Nomade.
Er zieht gern umher, der Mensch, so heißt es. Sesshaftigkeit, das wäre nur der notwendige Gemütszustand zwischen zwei Umzügen.
Der Mensch ist ein Nomade.
Er könne einfach nicht lange Zeit an einem Ort verweilen, er sucht das Neue, das abenteuerliche, neue Reize, eine neue Umgebung, neue Nachbarn.
Der Mensch ist ein Nomade und manche Menschen reden viel Unsinn.
Das Märchen von Leuten, die aus reiner Liebe an Bewegung einfach mal von heute auf morgen ihren ständigen Wohnsitz paralysieren, muss aus einer Zeit stammen, in der das Wort „Umzug“ für diese Leute bedeutete, einfach ohne Sack und Pack aus dem Haus zu gehen, einen langen Weg entlang zu schlendern und in ein neues und frisch renoviertes Heim einzuziehen. Mit anderen Worten: So eine Zeit hat nie existiert.
Schon zur von materialistischen Dingen nicht gerade überladenen Steinzeit war es nicht damit getan, einfach nur aus seiner Höhle hinauszutreten, stur in eine Richtung zu latschen und den ganzen Steinzeitkladderadatsch in eine neue Höhle zu schmeißen. Das Ganze musste logistisch sorgfältig geplant werden. Viele Fragen galt es zu beachten.
Wer trägt das ganze Werkzeug?
Wer zieht an des Frauen Frisuren?
Wie transportieren wir unser Lagerfeuer?
Bekommen wir den Mammutkopf aus dem Eisfach wieder heraus?
Umzugsunternehmen waren noch nicht erfunden und der Weg von Höhle A nach Höhle B war gepflastert mit faustgroßen Kieselsteinen und lauernden, sabbernden Säbelzahntigern.
Und abgesehen davon konnte hinter jeder Ecke eine Eiszeit lauern, die sich überlegen könnte, spontan auszubrechen. Ohne wärmende Höhle steht man da schnell auf der Verliererseite, evolutionstechnisch gesehen.
So kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen schon früher über soviel Intelligenz verfügten, dass sie die Erkenntnis gewannen, es wäre besser zu bleiben wo man ist.
Heute ist es nicht viel anders.
Umzüge sind für viele Menschen der blanke Horror, doch niemand gibt es zu.
Das gipfelt dann in einen ungeheuren Akt der Selbstverleugnung, in dem viele sich zu folgender Aussage hinreißen lassen:
„Wir ziehen nächsten Samstag um!“
Falsch!
Der Umzug, der beginnt viel früher, beim fremde Wohnungen anschauen, geht weiter beim Möbelhäuser anschauen, erklimmt den Gipfel der Umzugslust beim Kisten packen und hört erst auf, wenn man Monate nach dem eigentlichen Einzugstermin endlich die Stühle in der passenden Bezugsfarbe vom Möbelhaus geliefert bekommt.
Menschen, die also behaupten, sie würden „innerhalb weniger Tage umziehen“, wollen wir wegsperren und nicht auf Gefängnisdächer klettern lassen, bis sie einsehen, dass so was mindestens sechs Monate dauert.
Sämtliche Vorteile eines Nomadendaseins müssten eigentlich spätestens in dem Moment verschwinden, in dem man beginnt, eine der gefühlten siebentausend Umzugskartons zu packen. Beim herumwühlen in hinteren Bereichen gewisser Schränke tut sich das Grauen auf:
Dinge, die wir nie finden wollten, springen hervor und erinnern uns peinlich genau an unsere Unfähigkeit zu einer gewissen Ordnung. Anders kann man es sich nicht erklären, warum ich in der letzten Woche einen Postkartenkalender fand.
Von 2006.
Nun, ich habe immerhin noch einen Monat Zeit, ihn aufzustellen, Glückwunsch an mich selbst.
Auch gehören Diskussionen mit dem Partner bezüglich gewisser Gegenstände unweigerlich zu einem Umzug dazu:
„Aber warum soll ich denn diese schöne [hier einen albernen und nicht schön anzusehenden Gegenstand Eurer Wahl einfügen] wegwerfen, das kann man doch noch benutzen!“
„Weil der [hier den albernen und nicht schön anzusehenden Gegenstand von eben einfügen] nun unbenutzt seit 15 Jahren in den hintersten Ecken des Schranks gelegen hat!“
Solche Diskussionen wären an sich nicht problematisch, wenn es nicht sehr viele Gegenstände geben würde, die der Diskussion bedürfen und diese nicht jedes Mal zehn Minuten in Anspruch nähmen. So kann man an einem verregneten Sonntagnachmittag immerhin anderthalb Umzugskisten schaffen.
Aber nicht nur das Finden sinnloser Dinge gestaltet sich problematisch, nein auch das Verlieren recht sinnvoller Dinge ist etwas, was die Nervenheilanstalten dazu veranlasste, vor Jahren „Umzugs-Abteilungen“ mit vielen durchgedrehten Patienten in ihre Gummi-Burgen einzurichten.
Ich verlor ein Jott.
Ja, ein Jott.
Und zwar auf tragische Weise.
Es wurden Überlegungen geäußert, die Tastatur meines PCs zu säubern, denn ich verfüge über die unangenehme Eigenschaft, meine Zähne in krümelnde Nahrungsmittel hineinzuschlagen, während meine Finger über die Tasten huschen. Warum man das unbedingt an der Schnittstelle von zwei Wohnungen erledigen muss, weiß man leider nicht, aber das ist auch egal, bewaffnet mit einer Nagelfeile amputierte ich also sämtliche Buchstaben von meinem Keyboard und man kommt sich vor wie ein feinfühliger und emsiger Arzt, der einem mit der Flinte angeschossenen Patienten das Schrot aus dem Hintern pickt. Natürlich habe ich vorher die Tastatur mit der Digitalkamera vorher fotografiert, so dass ein späteres Widerannähen der amputierten Buchstaben kein Problem darstellt. Hier kann man sich über die Erfindung der Digitalkamera freuen, noch vor Jahren hätte ich mit einer analogen Kamera so schnell drei Umzugstage durchs Bilderentwickeln verloren.
Nun, was unter der von Buchstaben befreiten Tastatur zum Vorschein kam, hätte viele schreien lassen. Aus den dort sesshaft gewordenen Krümeln und Nahrungsmittelresten hätte man bequem wieder Brötchen zusammenkleistern können, so viele Brötchen, dass es gereicht hätte, die Bevölkerung Zyperns ein Jahr lang zu versorgen.
Abwegig der Gedanke?
Kann sein, aber wer weiß, all die belegten Semmeln, die wir so essen, könnten ja auch ursprünglich mal in einer Tastatur gelegen haben. Wer weiß das schon so genau. Wir leben in einer globalisierten Welt.
Angeekelt von der Sauerei beschloss ich, all meine vollgekrümelten Buchstaben in einen Gefrierbeutel zu bugsieren, diesen mit Wasser zu füllen und ordentlich durchzuschütteln. Die erste Tastaturbuchstabenwaschmaschine der Welt war geboren und erfunden, Millionen…ach was, Millarden würde ich mit diesem Patent verdienen, niemals wieder auf der Welt würde jemand die Buchstaben seiner Tastatur in einen Gefrierbeutel waschen dürfen, ohne mir vorher ein paar Euro auf mein Konto zu überweisen.
Dachte ich zumindest.
Denn beim auskippen all meiner Tasten ins Waschbecken habe ich nicht beachtet, dass das Abflussgitter am Ausguss nicht ganz fest war und schon rutschten mein A, mein L, meine 5 und die Pfeil-nach-unten-Taste in das stinkende Rohr. Sicherlich kann man sich vorstellen, dass ich schon da ein bisschen verzweifelt geschaut habe.
Aber kein Ding, Siffon abschrauben, Buchstaben rausholen, noch mal waschen, auf nem Zewa auslegen und über Nacht trocknen lassen. Dann - der Sonnenaufgang hat dem Tag seine Existensberechtigung zurückgegeben - setzte ich die Buchstaben wieder ein. Da fühlt man sich nicht mehr wie ein Schrot-Arzt, vermutlich, weil man den wenigsten Patienten Kugeln in den Hintern wieder reindrückt.
Ein Schrei. Ein lauter Schrei.
MEIN JOTT.
Es war weg. Aber das konnte nicht sein, der Ausguss war frei, der Boden wurde abgesucht. Es konnte nicht weg sein.
War es aber. Ich würde nie wieder „Ja“, „Jahr“ oder „Jojo“ schreiben können, nur „a“, „ahr"oder „o o“!
Mit einem Schlag wurde ich meiner Kommunikationsmittel beraubt, ich fühlte mich sprachlich amputiert, die Rache der Buchstaben für die nicht standesgemäße Brötchenbehandlung meinerseits?
Wo ein neues Jott herbekommen?
Eins klauen?
Um Himmels willen, nein.
Nachfragen beim Computerfachhandel.
Haben sie Jott’s?
Nein, haben wir nicht.
Wo bekomm ich ein neues Jott her?
Die Firma anmailen.
Die Firma anmailen?
Wie soll das denn aussehen?
Sehr geehrte Damen und Herren bei Logitech:
Ich habe leider einen Buchstaben auf meiner Tastatur verloren, die Umstände spielen keine Rolle. Ich kann Ihnen leider nicht mitteilen, welcher Buchstabe es ist, kann ihn a nicht drücken, aber sein sie gewiss, er befindet sich zwischen dem H und dem K.
Schicken sie mir bitte einen neuen Buchstaben zu.
Verliert man sein „E“, kann man sich vorstellen, wie schlimm die Email dann wohl ausgesehen hätte.
Die Mail geht dann bei Logitech ein, alle im Büro lachen sich kaputt und dann greift ein Buchstabensortierer in die Jott-Kiste und schickt mir eins zu.
Da ich mir diese Blöße nicht geben konnte und aus dem Umstand heraus, dass ich mein Tippbrett nicht ganz von den Brötchenkrümeln befreien konnte (ich verzehrte einige Semmeln mit Honig), ging ich den einfachen Weg und kaufte eine neue Tastatur.
Tipp der Woche also für alle PC-Besitzer: Esst nicht in dem Raum, in dem sich Eure Eingabegeräte befinden.
Nun, wie bereits erwähnt. Bei einem Umzug verliert man Sachen und man bekommt welche dazu. Sachen, die man nicht will. Und Zustände.
Ich bekam eine Verschaltung.
Genau.
Eine Verschaltung.
Hört sich ein bisschen an, wie die digitale Mischform von „Erkältung“ und „Verkalkung“. Fühlte sich auch so an.
Eigentlich hätte alles ganz einfach sein sollen: Um der neuen Wohnung mitzuteilen, dass die eigene Telefonnummer nun auch mit umzieht und nicht einfach in der alten Wohnung verweilen darf, kommt ein Mann von der Telekom heraus, um der Telefonnummer freundlich zu erklären, dass sie gefälligst mit umzuziehen habe.
So ein Mann war auch da, er fummelte am Kellerkasten herum, murmelte mystische Sachen in die Drähte, geheimnisvolle Roaming-Formeln müssen es gewesen sein.
Was zur Folge hatte, dass uns niemand mehr anrufen konnte und wir selber nun eine ganz andere Nummer auf unseren Handy-Displays sahen, wenn wir uns selbst anriefen. Internet ging auch nicht.
Eine Verschaltung.
Kabelhusten.
Funk-Diarrhö.
Aber so was wäre innerhalb eines Tages erledigt, sagte man.
Innerhalb eines Tages.
Von der Telekom.
Durch empirische Erfahrungswerte war mir klar, dass die mir nicht mal ein Jott zuschicken könnten, wenn sie nen ganzen Eimer voll davon hätten.
Wie sollten die da eine Verschaltung behandeln?
Alle Apotheken in meiner Nähe konnten mir auch nicht weiterhelfen, nix von Bayer, nix von Ratiopharm, nix hilft bei Verschaltung.
Nach fünf Tagen erledigte sich das Problem, natürlich musste noch mal jemand kommen und Formeln in den Verteilerkasten reinzischeln, diesmal waren es scheinbar die richtigen.
Sonst könntet ihr den Wochenrückblick ja hier nicht lesen.
Zum Schluss müssen wir noch einen weiteren Unsinn aufräumen. Die Legende der ersten Nacht in einer neuen Wohnung.
Was man da träumt, das wird wahr.
Das möchte ich nicht hoffen. Denn nach einem Tag voller Kistenschlepperei, Transporterfahrerei, Möbelabwischerei, Macken-die-frisch-gestrichene-Wand-Hauerei, Frikadellen-und-Nudelsalat-verdrückenrei sind die Träume meist von nicht gemäßigter Natur. Und wo soll ich bloß einen grün lackierten Baby-Elefanten herbekommen?
Und wie bringe ich ihn dazu, mit mir auf seinem Rücken durch den Porzellanladen mit den Riesentassen zu reiten?
Wie?
WIE BLOSS?