27.4.09

Pennys Wochenrückblick Folge 131: Deutschland stirbt den Knochentod! Kein Anschluss und ne Menge Kummer!



Netter Service von T-Mobile: wenn mal wieder das Netz crasht, bekommt man direkt ne Mitteilung aufs Handy!








Ach ja, der Fortschritt! Ich darf Willi Walgenbach zitieren? Darf ich?

Ach, ich mach’s einfach.

Der sagte:


Die Zeit ist nicht mehr fern, wo ein Toaster intelligenter sein wird als manches Familienmitglied.“


Nun, Willi Walgenbach ist Vorstand des Bundesverbandes für den Elektro-Einzelhandel, der Mann muss also wissen, wovon er spricht.

Und wer weiß, vielleicht sind wir in so einer Zeit ja bereits angekommen und sind bloß viel zu eitel, uns diese Tatsache einzugestehen. Einfach mal die These überprüfen und für eine Woche den guten Grundig-Toaster in die Schule schicken, während Jan-Moritz daheim mit einem Zippo das Weißbrot anwärmt. Bringt der Toaster die besseren Noten nach Hause, wäre der Fall klar.


Fest steht: Mein iPhone ist jetzt schon schlauer als ich. Die richtige Applikation auf den Apple-Knochen geladen weiß das Ding in 99,9 % der Fälle, welcher Song im Radio gespielt wird, während ich in 99,9 % der Fälle versuche, mich auf Verkehr UND den Song zu konzentrieren, meist scheiternd bei Letzterem.

Ich find so was nicht schlimm oder bedrohlich, ich finde es eher angenehm, dass große Hirnareale von der Aufgabe befreit sind, ohrschmalzlösende Dudelei aus den Rundfunkanstalten in geistigen Schubladen zu archivieren. Man muss also nicht alles wissen, man muss nur wissen, welche Applikation man für sein iPhone runterladen muss. Vor gut einer Woche allerdings bekam mein Handy mobiles Parkinson, ich schüttelte es wild, schimpfte auch ein wenig rohrspatzenartig, doch es tat sich: Nichts!


Kein!


Netz!


Stundenlang nicht.


Mir war das relativ egal, ich ließ mir auf dem Balkon von einer milden Nachmittagssonne die Visage anglühen. Als ich später in den Nachrichten erfahren musste, dass ich gar nicht allein war mit meinem Schicksal, sondern dass der Netzkoller so um die 40 Millionen Bundesbürger betraf, war ich weder empört noch verärgert, sondern eher traurig, dass ich ein grandioses Gemeinschaftsgefühl verpasst habe. Man kennt das von Weihnachten und Weltkriegen: Nehmen viele Menschen an einem Ereignis zur gleichen Zeit teil, entsteht ein wohliges Verbundenheitsgefühl von Flensburg bis nach Passau, für das Wissenschaftler bestimmt einen Begriff ersonnen haben, den ich allerdings ad hoc nicht auf der Tastatur habe. Man weiß dann ganz genau: schau, der Nachbar über dir, den du kaum kennst, muss sich demselben Schicksal ergeben wie du selbst.

Ihr seid beide digital amputiert.

Ich hätte in die Siedlung rufen können: LASST UNS FURCHTBAR ALTMODISCH SEIN, KOMMT AN DIE FENSTER, WIR QUATSCHEIN EIN BISSCHEN AUF DIE ALTE ART.

Aber ich wusste nichts vom Total-Blackout bei T-Mobile und war allein mit meinem nicht vorhandenen Leitungs-Trennungsschmerz.


Schon am nächsten Morgen überschlugen sich die Meldungen: „Stille in Deutschland!“ titelte die BILD! Stille in Deutschland? Ich weiß nicht.

Hatte ich am Tag zuvor nicht drei Häuser weiter ein gedämpftes „Wieso hab ich kein verschissenes Netz?“ vernommen?

Auch war man sich nicht zu schade, Deutschland zu befragen, was für fatale Folgen so ein Netzausfall hatte. So wollte Thomas L. aus Stuttgart eigentlich per SMS mit seiner Freundin Schluss machen, leider kam die Textnachricht nicht an, so dass er abends ein peinliches Erlebnis in Form einer Dreiecksbegegnung hinnehmen musste, welche vermutlich nicht ohne Gezeter vonstatten ging.

Natürlich war man seitens T-Mobile recht schnell um Aufklärung bemüht, die allseits bekannte Home Location Register-Software hat nicht funktioniert, es fielen nacheinander die Server aus und schon wusste man nicht mehr, wo die Handynutzer sich befanden.

So etwas ist natürlich reichlich bequem, einen technischen Fehler auf ein technisches Gerät schieben.

Aber ist es wirklich so gewesen?

Viel amüsanter wirkt in mir die Vorstellung, dass eine Putzfrau namens Waltrude Schmitz beim Saubermachen im Serverraum einfach nur über ein systemrelevantes Kabel gestolpert ist und ihren technischen Fauxpas nicht bemerkte. Das hätte zumindest eine viel lustigere Schlagzeile abgegeben:


„Stille in Deutschland…aber wenigstens war der Serverraum sauber!“


Ansonsten hätte man nicht viel zu lachen gehabt und Waltrude Schmitz schon überhaupt nicht!

Was hätte das technikgeile deutsche Volk gefordert? Nicht wenige hätten darauf plädiert, Waltrude am magentaroten Firmenlogo der Telekomzentrale zu kreuzigen. Und Cheffe Rene Obermann hätte persönlich den Hammer schwingen müssen.

So blieb es aber bei halbseidenen Entschuldigungen und einer ganzseitigen Anzeige in der BILD. Ist bestimmt nicht billig, so eine Anzeige, ich denke, für das Geld hätte man tags zuvor auch bequem einen T-Mobile Mitarbeiter zu mir schicken können, der mich persönlich über die Krisensituation instruiert und mir so die Gelegenheit zu meinem immer noch stark vermissten Verbundenheitsgefühl gegeben hätte.


Übrigens:

Von Belang sind die Äußerungen der sogenannten Technikphobiker nicht, die immer wieder mit den Finger schnipsen, wenn mal wieder was nicht funktioniert, aber erwähnenswert sind sie dafür immer wieder. Stets und im Gleichklang ertönt da der Satz:


„Jaja, die Technik. Wenn sie mal nicht funktioniert, merkt man ja erst, wie AB-HÄNGIG man von ihr ist.“


Die Technikphobiker lassen diesen Satz nicht fallen ohne ihn in ein apokalyptisches Timbre einzukleiden, sie gefallen sich in solchen Momenten gern darin, schon immer gewusst zu haben, dass Technik auch Untergang bedeutet. Begegne ich solchen Menschen, würde ich ihnen gern mitteilen, dass eine in der Warteschleife hängende SMS mit dem Text „IHDGGDL Zwinkersmiley, Küsschen“ keine sozialen Unruhen und auch keine verbundenheitsgefühlauslösenden Weltkriege verursacht, aber wollen die Technikphobiker so was hören?

Wollen sie nicht!

Sie gehen lieber wieder, winken genervt ab und verschwinden in ihre nostalgischen Telefonzellen, wo sie dann „früher war alles besser“ rufen.

Natürlich rufen sie es dort nicht lang, sie würden den urinalen Erstickungstod erleiden, wenn sie bei normalen Frühlingstemperaturen länger als 5 Minuten in einer „klassischen“ Telefonzelle verweilen. Dass sich die Technikphobiker an ein früheres Leben zurücksehen, in dem diese gelben Gaskammern das Landschaftsbild mitbestimmten: eigentlich unvorstellbar!


So richtig nachdenklich wurde man aber auf der Internetversion unserer liebsten deutschen Tageszeitung. Dort ergoss sich Paul C. Martin in einem philosophischen Textschwall, dass mir heute noch ein bisschen die Augen klingeln. Zunächst zählte man im Text einige technische Errungenschaften auf: Mähdrescher, Buchdruck, Spinnrad!

Dann wird es aber dramatisch:

„War das Handydebakel ein Flammenzeichen an der Wand? Ein Menetekel?“

Davon abgesehen, dass der durchschnittliche Bild-Verzehrer gar nicht weiß, was genau ein Menetekel ist (das Wort wird öffentlich genauso oft verwendet wie „Sprudel“ oder „Unterbuchse“) hatte ich natürlich sofort wieder meinen Technikphobiker vor Augen. Wieso dürfen solche Leute für die BILD schreiben??? Ein Menetekel ist ein sichtbares Vorzeichen drohenden Unheils. Mit anderen Worten: wenn wir heute keine SMS verschicken können, kann der Weltuntergang nicht weit sein. Aber hey, wenn es den Weltuntergang zur Folge hätte, dann würde ich gern das Menetekel als Hintergrundbild für mein Handy irgendwo für teuer Geld runterladen können, ginge das?


Aber es ging weiter im Text des Paul C. Martin, es wurden bildhaft weitere Technikpannen aufgezählt, nämlich die AKW-Katastrophe von Tschernobyl, den flächendeckenden Ausfall von Stromnetzen, das Zugunglück von Eschede mit mehr als hundert Toten, den Absturz der Weltraumfähre „Columbia“.

Gut, dass Herr Martin sich danach recht schnell beeilt mit der Feststellung, dass das Handy-Debakel gottlob keine Großkatastrophe gewesen ist. Man hätte ja sonst auch gar nicht gewusst, wo man’s einordnen soll zwischen all den Strahlentoten, Deutsche-Bahn-Verunglückten und Astronauten, die aus großer Höhe der Erde entgegensegeln.

Aber es war ein Fingerzeig, den wir nicht vergessen sollten, so Martin.

Uns würde Bescheidenheit fehlen. Und Demut.

Wenn also die Teenager heutiger Bauart cool durch Straßen flanieren und Musik mit derber Sprache aus ihrem Handy scheppert, sollten sie etwas mehr Respekt vor einer Technik zeigen, die es ihnen erlaubt rückenbeschwerdenfrei auf das Tragen eines 20 Kilo schweren Ghettoblasters zu verzichten und somit den örtlichen Krankenkassen und niedergelassenen Orthopäden einen großen Dienst erweisen.


Ich übte mich gestern übrigens auch in Demut! Die Offerte von Herrn Obermann einfach ausschlagend schrieb ich NICHT wie ein mitteilungsgeiler Derwisch sinnlos SMS und verschickte sie in aller Herren Länder, auch wenn mich schon interessiert hätte, ob ich Waltrude Schmitz durch mein Geschreibe dazu hätte bringen könnte, noch mal über das Serverkabel zu stolpern, NEIN!

Ich übte mich schwer in Demut und spielte mit einer Freundin auf dem Balkon ne Runde Yatzy. Yatzy heißt eigentlich Kniffel, aber das Kniffelnetz war tot, keine Kniffelzettel, nur Zettel, wo Yatzy draufstand. Ich beschwerte mich nicht, sondern übte mich in Demut.Ich spielte Yatzy.

Am Ende verlor ich die Partie und hatte Zeit, noch ein bisschen nachzudenken, während die Freundin einstudierte Siegerposen auf dem Balkon präsentierte.

Wenn der Rene Obermann mir einen Tag lang kostenlose SMS anbietet, wenn sein olles Netz ein paar Stunden lang nicht funktioniert, was würde mir dann erst E-ON anbieten, wenn in Deutschland ein Atomkraftwerk in die Luft fliegt?

Einen Monat gratis Strom?

Ach nö, ich würd bescheiden verzichten.

18.4.09

Pennys Wochenrückblick 130: Ohne Triple ist alles doof! Bajuwarische Käseglockendepression!








Ohne Worte!






Der frühe Sonnenstrahl bricht durch luftdurchlässige Jalousienschlitze und verkündet:
Es ist ein neuer Tag, hinaus mit dir! Vollbringe Taten, von denen man noch in Jahrhunderten am Lagerfeuer spricht! Sei ein gleißendes Licht, welches andere aus ihren Schatten hervorzuziehen vermag! Sei ein Held, ein Titan, sei der Beste, den die Welt je gesehen hat!
So oder ähnlich wollen es uns die Verfasser von Lebensberatern ja schon weismachen. Jeder Tag ist ein Geschenk, jeder Tag bietet neue Chancen, um über sich hinauszuwachsen.
Die Realität sieht anders aus.

Wenn morgens der Wecker klingelt und uns aus unserer Nacht entreißt und der Wecker klingelt und wir unsere schlafsandverkrusteten Augen aufreißen und der Wecker klingelt und wir nicht wissen, wo wir sind und der Wecker klingelt und dieses verdammte Teil an die Wand donnern möchten und die erste Frage die wir uns an so einem Morgen stellen diejenige ist, warum um alles in der Welt wir uns einen Wecker mit einem Weckton gekauft haben, der auch Tote mühelos ins Leben zurückzuholen kann, ja wenn all dies passiert:
Ist uns dann danach, die Welt aus den Angeln zu heben?
Seien wir doch ehrlich, wir möchten uns doch lieber noch ein bis zweimal umdrehen. Sollen doch die Nachbarn von oben lieber aufstehen und den Planeten ändern.
Seien wir noch ehrlicher: eigentlich ergeht es ganz Deutschland so, wenn es früh morgens erwacht. Wir sind depressiv, wir stecken mitten in einer Finanzkrise, wir wachen abgewrackt auf und haben so gar keine Lust auf nichts. In ganz Deutschland sind die Ansprüche auf ein Minimum gesunken und man blickt der Realität ins Auge. Wir – kriegen – nix – hin!

In ganz Deutschland?

Aber nein!

Eine von unbeugsamen Bayern bevölkerte Münchener Fußballmannschaft hört nicht auf, der allgemein schlechten Stimmung im Lande Widerstand zu leisten.

Dort findet Aufwachen anders statt! Dort klingelt der Wecker nicht, er singt ein Lied! Ein kleiner, am Nachttisch befestigter Rasensprenkler spült mit lauwarmem Wasser den Schlafsand aus den Augen! Motivationstrainer stürmen das Zimmer und motivieren den frisch aufgewachten Fußballspieler, dass er und nur er es sei, der heute die Welt aus den Angeln hebt. Dass er siebzehn Tore schießt und zwar in einem Spiel. Dass er Meister, DFB-Pokalsieger, Champions–League–Gewinner, Weltpokalträger auf einmal werden kann. Und wenn er will auch gerne noch Tischkickerchampion und Oscarpreisträger. Er muss es halt nur wollen, an sich glauben und draußen auf dem Trainingsgelände die eine oder andere Brezel vor Buddhas Füßen ablegen. Dann klappt das schon.

Und bisher hat das auch immer alles wunderbar geklappt. Es mag der schier unbändige Glaube an sich selbst gewesen sein oder schlicht und einfach Angst davor, Oliver Kahn im Dunkeln zu begegnen, aber der Verein von der Säbener Strasse war die letzten Jahre erfolgreich wie kein Zweiter. Daraus erwuchs dann das Credo, dass man vor einer jeden Saison folgendes in die Welt hinausposaunte:

Ohne Triple ist alles doof!

Oder anders gesagt, man war ein bisschen pikiert im Süden Deutschlands, wenn nicht schon zu Beginn einer Bundesligasaison alle drei Titel vorab nach München geschickt wurden. Man hätte ja – die Post hätte sich gefreut – zur Not auch den einen oder anderen Pokal wieder zurückschicken können.
Diese Saison allerdings verläuft für den FC Bayern München alles andere als rosig. Im Gegenteil, man hat es mit einer mittelschweren Katastrophe übelsten Ausmaßes zu tun.
Der DFB-Pokal – eigentlich ja reserviert für die Bayern – ist weg.
In der Meisterschaft steht man aktuell gerade mal auf dem Posten des Vizemeisters und ist schon uneinholbare drei Punkte vom Tabellenführer aus Wolfsburg entfernt.

Und in der Champions–League? Ach ja, die Champions–League.
Es geschah vor knapp zwei Wochen, man fuhr nach Barcelona und man verlor knapp mit 0:4!
So ein Ereignis kann man sicherlich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, man muss das nicht toll finden, schon gar nicht als Bayern–Fan und auch nicht so unbedingt als Verantwortlicher des FC Bayern. Schon gar nicht wenn man denkt „Ohne Triple ist alles doof!“
Karl-Heinz Rummenigge allerdings sah sich genötigt, auf dem Festbankett das Mikro zu ergreifen und mit zitternder Stimme folgende Sätze von sich zu geben: „Ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht, was ich mehr bin: Schockiert, wütend, traurig über das, was wir hier eben heute Abend gesehen haben!“ Diese verbale Trauerorgie wurde von einem derart frustrierten Gesicht begleitet, dass man meinen könnte, ein böser Unhold hätte die gesamte Familie von Herrn Rummenigge ausgeweidet. Es gibt sicherlich eine Menge Anlässe, eine derartige Trauermine aufzusetzen: Beerdigungen, Weltkriege, Freikarten für ein Konzert von Britney Spears. Doch Herr Rummenigge war noch nicht fertig mit seinen Betroffenheitsbekundungen. Er musste ja noch einen draufsetzen und verkünden, dass er seinen alten Freund, den Lattek Udo in der Halbzeit getroffen hätte und…der hätte…geweint.

Ja, ein Mann wie Udo Lattek hat geweint, weil eine Fußballmannschaft ein Fußballspiel verliert. Wir wollen alle gemeinsam ganz doll hoffen, dass es sowohl für einen Herrn Rummenigge als auch für einen Herrn Lattek noch andere Momente tiefer Trauer im Leben gibt. Seitdem ist irgendwie die bajuwarische Käseglockenwelt in eine tiefe Depression gestürzt. Karl-Heinz Rummenigge verkündete direkt nach dem Hinspiel, dass es ja nun klar sei, dass man ausgeschieden ist. Ein Moment in dem ich recht froh war, dass Oliver Kahn nicht mehr Torwart bei den Bayern ist, denn der hätte dem Rummenigge direkt den Kopf von den Schultern gebissen und mit vollem Mund ins Mikro gerülpst, dass es erst vorbei ist, wenn es vorbei ist. Stattdessen ersoff man lieber im Selbstmitleid, man gewann gerade mal 4:0 gegen Eintracht Frankfurt und war sich trotzdem nicht zu schade, „Klinsmann raus!“ zu brüllen. Denn auch hier kamen sie wieder aus ihren Ecken gekrochen, die Fans, die es halt schon immer gewusst haben, dass das mit dem Jürgen nichts wird. Aber mit einem neuen Trainer und noch teureren Spielern kann man es nächste Saison wieder erschallen lassen:

„Ohne Triple ist alles doof!“

Man ist sich auf Seiten der Ratgeberbücherschreiber noch nicht ganz sicher, ob man nun lieber ein Leben führt, in dem man sich jeden Morgen selbst sagt, man wird der Beste sein und was für Folgen es hat, wenn man das dann nicht schafft. Oder ob man es vielleicht lieber ein bisschen ruhiger angehen lässt und sich über den einen oder anderen Teilerfolg dann umso mehr freut.
Da wird wohl jeder seine eigene Meinung haben!

12.4.09

Pennys Wochenrückblick Folge 129: Taschentücher! Finanzkrise! Alles Gute zum Geburtstag




Der Wochenrückblick als Hörbuch-Version, für alle, die zu faul zum Lesen sind :)




Klar, dekadent ist es schon, sich mit nem 10er die Nase zu putzen und unhygienisch auch. Aber das Taschentuch ist 80 geworden und wenn man sich mit so was Altem die Nase putzt, ist das vermutlich auch nicht gesünder.





So, ich mach dann mal weiter.
Gab ja auch ein Jahr lang nicht viel zu berichten, es machen ja nach wie vor fast alle in Finanzkrise.
Wenn man da versucht, was Lockerfröhliches zu schreiben, kommen ja auch nicht Wenige aus ihren Betroffenheitsecken gehüpft und raunzen:

„Komm, Penny. Lass ma gut sein. Wir haben wirklich andere Sorgen im Moment!“

Was nun tun? Sich der Sorgen annehmen und was Lustiges über die Finanzkrise schreiben?


„Och nööö, Penny!“

Nö, denk auch ich mir. Die Vorstellung, wie die Besucher meiner Internetseite mit ihrem Schädel auf die Tastatur donnern, nur weil ich der 793. bin, der das Wort Abwrackprämie in einen minderwertig lustigen Kontext zu einem fiktiven Gespräch abgehalfterter Teilnehmer aus der Damenwelt bei einem Schönheitschirurgen stellt, ruft auch in mir eher kaltes Grausen hervor. Zu Recht würden die Leute denken:
Der wäre wohl besser mal in der Versenkung verschwunden geblieben.
Aber jetzt bin ich hier und muss mich durchschlängeln durch all die täglichen Konjunkturprognosen, die nicht so viel Gutes versprechen und keinen Raum lassen für nette Pointen.
Auch die schlichte Tatsache, dass es wohl Abwrackprämien-Beantrager gibt, die ihr Gefährt in die Verschrottungs-Obhut des Staates übergeben, obwohl es noch wesentlich mehr wert ist als die von Frau Merkel ausgelobten 2.500 Euro, löst in mir nur ein Achselzucken aus. Den schlichten und einfach gestrickten Analysen der „Experten“, der Deutsche wäre halt einfach nur prämiengeil und würde es deswegen an Genauigkeit im Umgang mit dem Rechenschieber vermissen lassen, stelle ich auch ein Armutszeugnis aus.

Nein, der deutsche Abwracker von heute ist halt faul.
Ganz dem südländischen Flair zur Siesta verpflichtet will er sich nicht mit dem regulären Verkauf seines Gebrauchtwagens herumschlagen, weil er weiß:
Da kommen viele seltsame Menschen mit noch seltsameren Preisvorstellungen um die Ecke gebogen, da gebe ich die Karre doch gleich lieber der Regierung.
Interessant – und somit leider auch wieder ein bisschen typisch deutsch – musste man dann wieder beobachten, wie die Reaktion ausfiel als bekannt wurde, dass der Verschrottungs-Zaster wohl nur bis Ostern reicht.

„Was denn, jetzt schon?“

Es greift der Reflex, der im Stammhirn unter „soziale Gerechtigkeit“ gespeichert wurde, seitdem einst der Bundeskanzler Schröder hieß.

„Jetzt ist der Topf schon leer? So – geht – das – aber – nicht!“

Also musste aufgestockt werden und wieder war man empört, als es hieß, die Prämie würde eventuell gekürzt werden. Und das dann nicht zu knapp. Muss man sich mal vorstellen, ein Zustand – hier eine Subvention – die kaum ein Quartal existiert wird bereits heute vermisst, obwohl sie noch nicht mal ausgelaufen ist.
Man hat ja nur darauf gewartet, dass der erste Politiker aus den hinteren Reihen des Bundestages, der sonst nie was sagen darf, sich auch mal zu Wort meldet mit dem schlagzeilenträchtigen Satz:

“ Die Abwrackprämie gehört ins Grundgesetz!“

Artikel 1: Die Abwrackprämie des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und jedem Bundesbürger zu gewähren ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

In einem Jahr interessiert das alles niemanden mehr. Da wird dann eben wieder bei den Autoherstellern auf herkömmliche Weise herumgefeilscht, so wie in den guten alten Zeiten.
Aber nicht nur daran merkt man, dass uns die Krise noch nicht so richtig mitgenommen hat. Wir sind noch nicht tief genug drin, der Kot reicht nur bis zum Knöchel, maximal bei einigen bis zu den Knien, aber noch nicht bis zum Hals.

Woran man das merkt?

Nun, man hat in Deutschland immer noch genug Zeit, runde Geburtstage von Alltagsgegenständen zu begehen.
Es ist ja so: Schraube, Glühbirne und aufblasbare
Handyhalter für zu Hause sind Dinge des täglichen Gebrauchs und wurden seinerzeit von klugen Köpfen erdacht und im Keller zusammengezimmert. Und alle paar Jahrzehnte gilt es, den schlichten Bestand dieser Gegenstände ordentlich abzufeiern.
Gut, es werden keine Paraden aufgeführt, es wird nicht feierlich im Bundestag gesoffen bis die Lampe kracht und niemand flippt so richtig aus, wenn die Schraube 100 Jahre alt wird.
Aber erwähnt wird es trotzdem.
Dieser Tage ist das Taschentuch 80 geworden.
Wohlgemerkt, das Papiertaschentuch.
Schön wäre es, wenn so ein Ereignis auch medial mit einer schlichten Meldung über das Passierte einfach abgehakt wäre.
In Regionalzeitungen könnte man auf die Anzeigenseite zurückgreifen, ein paar schwarzweiße Luftschlangen und ein knallender Sektkorken sorgen für eine feierliche Atmosphäre im sonst tristen Anzeigengrau und es könnte simpel heißen:

Alles Gute zur 80 Tatü, mögest Du noch viele Jahre oben drauflegen.

Im Radio wäre eine simple Ansage nach den Verkehrsmeldungen wünschenswert:
„Zähfließender Verkehr auf der A1 am Westhofener Kreuz in beiden Richtungen auf Grund eines umgekippten Sattelschleppers, der seine komplette Ladung Papiertaschentücher verloren hat und wo wir gerade dabei sind, das Taschentuch ist heute 80 geworden, Glückwunsch!“
Und im Fernsehen? Reicht eine Einblendung am Ende von RTL Aktuell. Langweilige Geburtstage, Doppelpunkt.
Und so weiter und so fort.
So weit die Utopie, doch was passiert stattdessen?
Ausgebildete Journalisten werden losgelassen auf durch Innenstädte flanierende nichts ahnende Passanten.
Werden ausgefragt, ob sie noch ein Stofftaschentuch benutzen würden.
Werden umzingelt von einem im Bild nicht sichtbaren Schlägertrupp der Privatsender, bis sie das Stofftaschentuch herausholen und es herzeigen.
Werden ausgefragt, ob sie denn nicht wüssten, dass es mittlerweile Papiertaschentücher gibt, die sind doch jetzt 80 geworden, Mensch.
Werden erst wieder weggelassen, wenn sie für das angewiderte und empörte Publikum daheim demonstrativ in ihr Stofftaschentuch schnäuzen und sich das Bazillenkonglomerat wieder in die Hose stopfen, wo auch Bonbons ohne Papier bereits auf den Verzehr des Besitzers warten.
Auf Pro Sieben wird zu Ehren des Tatüs in Galileo eine Sondersendung gebracht, in der minutiös die Herstellung der kleinen freundlichen Alltagstücher dargestellt wird von der Zellstoffverarbeitung bis zum großartigen Auftritt der grandiosen Maschine, die letztlich die Taschentücher in die Packung befördert.
Menschen, die ihren Gebrauchtwagen für 2.500 Euro lieber abgeben als 6.000 dafür im Internet zu bekommen, sind dann immer ganz baff und rufen ins Wohnzimmer hinein
„Waaaas, das macht so ne Maschine? Also ich dachte ja immer, dass da noch echte Menschen aus Fleisch und Blut sitzen, die das einpacken, aber so ne Maschine is ja schon auch was Schönes, auch wenn sie uns ja schon potentielle Arbeitsplätze wegnimmt, aber dank Galileo weiß ich ja jetzt Bescheid!“
Auf Arte hingegen dürfte ein Bericht laufen, in dem entknautschte Taschentücher voller Nasensekret kunstvoll zu feiertagsträchtiger Klassikmusik präsentiert werden. Ein französischer Kulturprofessor kommentiert dies mit seiner sonoren Stimme und erklärt dem verdutzten Arte-Publikum, dass ja nun mal alles irgendwie Kunst sei und der Unterschied zwischen Acryl und Nasensekret ja wohl nur im Auge des Betrachters liege.

Man sieht, richtig interessante Sachen erfährt man eigentlich nicht.
Was haben die Menschen vor dem Taschentuch gemacht?
So ums Mittelalter rum?
Lief ihnen tagein tagaus die Suppe aus der Nase aufs Hemd und haben sie gedacht:

Ach herrje, wenn doch endlich mal einer das Taschentuch erfinden würde. Dann bräuchte ich mir nicht ständig jemanden zu wünschen, der mal die Waschmaschine erfindet, damit ich endlich meine vollgerotzten Oberteile waschen kann.

Nein, Dank Wikipedia wissen wir ja, was die Menschen gemacht haben. Es wurde in die Hand geschnäuzt und man wischte das Zeug an der Kleidung ab. Und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten! Heutzutage irgendwie unvorstellbar, aber damals gab es eben nun mal keine Taschentücher. Da saßen dann Carrissima und Bredelin in der Taverne, lauschten der lauten Laute des lauten Lautenspielers und wenn während des Verzehrs von knusprigem Schwein die Nase kitzelte, dann wurde in die Faust geniest und an der Hose abgewischt. Da kommt man ja schon ins Grübeln, ob die Pest nicht vielleicht da ihren Anfang nahm, wenn ein jeder sein Naseninneres an seiner Klamotte hinterlässt, aber Experten werden’s wohl verneinen, von mir aus, ich beharre nicht auf dieser Theorie.
Das Mittelalter ist nun mal noch nicht gar so lang her, doch heute – in der aufgeklärten Zeit – kriegen nicht Wenige einen mittelprächtig bis schwer ausgeprägten Würgeanfall, wenn sie von RTL gezeigt bekommen, dass es noch Rentner gibt, die originale Stofftaschentücher verwenden. Auch hier weiß Wikipedia genau Bescheid, denn „90 % der deutschen Bevölkerung benutzen heute Zellstofftaschentücher“. Man will ja gar nicht wissen, woher Wikipedia so genaue Zahlen hat, aber im Umkehrschluss bedeutet dies, dass jeder zehnte Mensch, der einem so begegnet, eine tickende Keimbombe in seiner Hosentasche spazieren führt. Und vermutlich alles nur, um Geld zu sparen, so ein vollgesabbertes Stofftaschentuch lässt sich doch prima mit der Spitzendecke vom Esstisch mitwaschen.
Und nun würde ich doch ganz gerne mal von Frau Merkel wissen, wie es denn der Taschentuchindustrie so im Allgemeinen geht in Zeiten der Wirtschaftskrise?

Herrscht Kurzarbeit?

Sind Entlassungen nötig?

Ist die Taschentuchindustrie systemrelevant?

Falls ja, wäre es doch nett, eine Abschnupfprämie einzuführen. Bundesbürger, die ihr neun Jahre altes Stofftaschentuch in einem Krematorium entsorgen, bekommen von der Bundesregierung 25 Euro für Papiertaschentücher.
So dürfte der Wiederaufschwung zu schaffen sein. Blöd nur, dass ich ja jetzt doch nen Abwrackprämienwitz gemacht hab.
Ich bin halt einfach aus der Übung.