29.1.08

Pennys Wochenrückblick Folge 123: Hell come to the Jungle oder: Wenn ein Publikum kotzen geht!



Quallen haben es gut! Die sehen nix, die hören nix, müssen sich ergo auch keinen Schund im TV anschauen. Schwimmend und dümmlich grinsend, was wir aber nicht erkennen in unserer menschlichen Ignoranz, könnten sie ein glückliches Leben führen bis genau zu dem Tag, an dem sie in der Speiseröhre eines insolventen Z-Promis landen müssen. Scheiss Menschheit!







Vor zwei Wochen hab ich es vorhergesagt und nun? Hab ich auch noch Recht!
Ich war so kühn und habe behauptet, dass das neue Jahr nix Gutes bringt und dass all der Unsinn so weitergeht wie bisher. Wer kann denn da ahnen, dass die im schriftellerischen Leichtsinn dahin geworfene Vermutung schon im ersten Monat traurige Gewissheit wird?
Ich bin ein Star – holt mich hier raus lief im TV an und da waren die meisten von ihrem Silvesterkater noch nicht mal ganz runter.
War es Kalkül von RTL? Hoffte man, dass die Zuschauer im Neujahrs-Dämmerrausch zu schlapp waren, um den Fernseher kaputtzutreten?
Zum gefühlten achtzehnten Mal zogen Promis, die nie wirklich welche waren und so schnell auch nicht sein werden, in den australischen Dschungel und nervten Flora und Fauna. Leider war weder das eine noch das andere mächtig oder giftig genug, um die Eindringlinge zu vertreiben und so machten sie sich breit, die Schaffrath, der Illic, der Immel, die Herzsprung, das Tomek, um…ja um was eigentlich zu tun?

Klar, das Ziel stand fest: Irgendein Depp musste am Ende der Dschungelkönig sein, aber was nun genau mit diesem Unfug erreicht werden sollte, das konnte uns Abi-Zitlow auch nach drei Staffeln Botanik-Bullshit noch nicht erläutern.
Viele sind ja der Meinung, es geht massiv um Selbstfindung. Aber ist es das, was man als Zuschauer als erstes denkt, wenn man Bata Illic sieht? Dass so einer sich selbst finden muss? Viele uklten, der gehe in den Dschungel, um sich zum Sterben hinzulegen, aber denen ruf ich es zu: so sehen alte Leute aus. Da ist halt nix geliftet.
Michaela Schaffrath zog es in den Dschungel um – das machte sie hinterher deutlich – ihre Pornokarriere hinter sich zu lassen. Aber muss man dafür bis nach Australien reisen und dort das Gesicht in die Kamera halten? Kann man die horizontale TV-Vita nicht auch einfach bequem vergessen machen lassen, in dem man sich in einem Industriegebiet bei Virneburg oder Unterwarft verschanzt und die Öffentlichkeit nicht mehr nervt mit dem ganzen „ich drehe keine Sexfilme mehr, ich will ernst genommen werden“ – Gerede? Da setzt man sich lieber in den Dschungel und erzählt dem Eike Immel, dass „ne gute Matratze echt total wichtig ist!“
Dem Eike wiederum blieb nichts anderes übrig, als sich vom RTL-Tross in den Dschnungel zerren zu lassen, wer den Arsch voller Schulden hat, kommt normalerweise zum Schuldnerberater direkt nach der Supernanny! Aber Eike ist Promi, also muss man sich kurz vor der Privatinsolvenz noch von Ratten das Gesicht kaputtbeißen lassen.

Überhaupt, die Dschungelprüfungen, eine Farce! Vollkommen am realen Leben vorbei oder kennt ihr in Eurer Nähe einen Urwald, in dem 40.000 Kakerlaken nur darauf warten, auf Euch drauf fallen zu dürfen? Oder wo Krokodilpenisse auf Tellern drapiert nur darauf warten, von Euch verspeist zu werden? Nein, wer eine richtiges Dschungelcamp aufziehen will, braucht Gorillas, die einen in zwei Stücke brechen, wenn man sie schräg anguckt und was für einen Sinn macht das Verspeisen eines Krokodilgemächts, wenn nicht auch das Krokodil noch mit dranhängt?
So allerdings macht das Verfüttern dieses Dreckszeugs an die Promis den Eindruck, dass es dem Dschungel an Müllbeseitigungsmöglichkeiten in Form von Trenntonnen mangelt. Ein Fall für die örtlichen Entsorgungsgesellschaften, aber wohl kaum für RTL.
Unterbrochen wurde das Camp-Getöse von zwei Zwischenfällen:
Lisa Bund, scheinbar per Bohlen’schem Leasingvertrag in den Dschungel gedrängt, wusste sich schon nach kurzer Zeit nicht anders zu helfen, als Blut zu spucken. Auch dafür wurde natürlich die Insektenschar verantwortlich gemacht, die Frau Bund in den Mund zu stecken zugestimmt hatte. Klar, wenn so ein Borkenkäfer sich in der Mundhöhle einer jungen Frau erleichtern kann, wird er die Gelegenheit nutzen, aber bekommt man davon gleich ne Gastritis? Vielleicht war es eher die Gewissheit von Lisa Bund, was sie da im Dschungel genau machte und dass sie es niemals ihren Enkeln zeigen wird. Wer würde da nicht den Wunsch verspüren, sein Innerstes nach Außen zu kehren?
Da war Dee-Jott Tomekk aber schlauer. Der ließ in aller Voraussicht ein Video mit ausgestrecktem Arm drehen und vereinbarte mit dem Kameramann ein Codewort, welches zu Veröffentlichung und Rausschmiss führen sollte, wenn’s dem Hip-Hopper zu langweilig wird. Mann, Mann und ganz Deutschland fällt drauf rein.
Einen kurzen Moment hielt ich inne und wartete darauf, dass Eva Hermann dem armen Tomekk anbot, ihm eine Autobahn von Deutschland nach Australien zu bauen, aber nix kam.
Tja.
Viele Zuschauer (oder sollte ich lieber „Mitbrechende“ sagen?) bekamen aber mal wieder eine Metamorphose zu sehen, die in der Tierwelt ihresgleichen suchte, aus einer kleiner ängstlichen Dschungel-Ross-Raupe wurde ein gar wildgewordener cholerischer Dschungelprüfungs-Schmetterling. Musste man bei Verkündung der ersten Aufgaben für Ross noch fürchten, dass der Brosis-Boy die komplette Kollegen-Schar einfach bis zum Meer wegheulen würde, konnte er hinterher scheinbar nicht mehr genug bekommen von Känguru-Anus und Grashüpfern. Wie RTL nun an den Anus eines Kängurus kam, wer den sauber gemacht und zubereitet hat, wurde uns aufklärungsseitig glücklicherweise erspart, aber macht mich die Vorstellungen schon ein bisschen traurig, dass nun irgendwo in Australien ein Macropodidae mit künstlichem Darmausgang durch die Landschaft hoppelt.

Hinterher gewann Ross, weil man nun allen Ernstes der Meinung war, dass der Knilch seinen inneren Schweinehund besiegt hat, in dem er sich alles in die Schnute stopft, was ihm die Verantwortlichen vor die Nase setzten. Dabei hat man aber scheinbar vergessen, dass a) die englische Küche sich von Anus und Penis nur marginal unterscheidet und b) der wahre König des Dschungels doch der gewesen wäre, der bei der ersten Prüfung gesagt hätte:
„Wisst ihr was Leute? Schön, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, es war ja auch bestimmt nicht leicht, all die Tiere einzufangen und Körperteile des täglichen Bedarfs von ihnen abzuschneiden, aber ich denke, dass es zu meiner Menschwerdung wesentlich mehr beiträgt, wenn ich mich cocktailschlürfend an den Hotelpool hocke, vielen Dank für alles, Tschüss!“

Zum Schluss sei wie immer erwähnt, dass eigentlich nicht das Camp das Problem ist, sondern diejenigen, die darüber berichten, vielleicht mal zum Arzt müssten. Weiße Stellen in der BILD hätten wir zwei Wochen lang serviert bekommen, weil man nicht locker ließ und jeden Tag fundiert berichtete. „Wann platzt Dirk Bach?“ lautete die Überschrift eines Artikels, der beispielhaft für den Umgang mit der Sendung herhalten muss. Viele haben natürlich daraufhin Leserbriefe geschrieben und sich gefragt, wann die Dschungelprüfung „Dirk ist das Trampolin und DU bist der Springer!“ folgen würde, aber ganz so krass wollte man wohl nicht rüberkommen.
Natürlich ist es eine tolle Sache, dass man als Boulevardblatt all die Aufgeregtheiten von zwei Wochen Dauerhocken in der Botanik kommentiert (hier sehen wir Frau Biedermanns Brüste, Sonja zickt Frau Edvardson an, Frau Schaffrath sieht ja gar nicht mehr sexy aus) dann darf man aber nach dem Dschungelcamp nicht wieder den Heuchelköter von der Kette lassen und von Obzön-TV schreiben. Da kamen dann wieder Promis zu Wort, die vom Bekanntheitsgrad der Dschungelinsassen nur marginal abweichen, Deutschlands „Intellektuelle“ auf Bunte-Niveau quasi und ein Peter Hahne wurde gar poetisch:

„Wir dürfen uns angesichts solcher Sendungen nicht wundern, wenn Menschenwürde zur Worthülse verkommt und Brutalität beispielhaft wird. Denn was ist das ,Dschungelcamp‘ anderes als ein riesiges Gewaltvideo gegen Gefühle, Seele und gesunden Menschenverstand?“

Ich seh schon die ersten jugendlichen Straftäter, die vor Gericht Dirk Bach und Sonja Zietlow die Schuld an ihrer kriminellen Karriere geben.
Am Ende durfte auch RTL Sprecherin noch einen Ton abgeben und bewies, dass sie damit nicht weit entfernt vom Niveau der Sendungen lag, die ihr Arbeitgeber so produziert, denn danach befragt, ob die Menschenwürde im Dschungelcamp verletzt werden würde, sagte sie folgend:

„Die Menschenwürde wird sicher an zu vielen Orten dieser Welt verletzt, aber ganz bestimmt nicht […] im australischen Dschungel.“

Mit anderen Worten, solange es auf der Welt noch Millionen kleiner Kinder gibt, die unter unwürdigen Bedingungen Fußbälle zusammennähen und solange noch Länder existieren, in denen man fröhlich mit Macheten massakriert wird, sind hodenfressende Promis leider nicht verurteilbar.
Na, da haben wir ja noch mal Glück gehabt, was die Menschenwürde angeht!



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20.1.08

Pennys Wochenrückblick Folge 122: Brutale und gnadenlose Renter! Arme, arme Jugendliche!

Um diesen Wochenrückblick zu verstehen, ist es nicht unbedingt von Nöten, sich das folgende Video anzuschauen. Doch surreal, wie dieses Video ist, könnte es umgekehrt auch ohne Wochenrückblick auskommen. Aber ich will mir da keine Faulheit vorwerfen lassen. Optimal ist es einfach, sich beides genau anzuschauen, erst Video, dann Rückblick. Viel Spass :)

LINK




Jens Jessen hat – das kann man mit Fug und Recht behaupten – einen Namen, dem im Nachhall das Humoristische nicht abgeht. Mit einem „Jens Jessen“ ließe sich ein prima Alliterationshaiku basteln. Auch verfügt Herr Jessen über ein Repertoire ulkiger Ansichten.
Gut, die darf jeder haben, wir leben in einem freien Land.
Doch ist man Chefkolumnist bei der „Zeit“, sollte man, wenn man schon Jens Jessen heißt und Vorlagengeber für Alliterationshaikus ist, seine Worte mit Bedacht und Vorsicht wählen.
Herr Jessen sieht das aber anders und: plappert drauf los in seiner Videokolumne, was für uns Medienteilnehmer den Nachteil hat, dass wir die ulkigen Ansichten des Herrn Jessen nicht nur hören, sondern ihm auch noch ins Gesicht zu starren gezwungen sind.

Der Herr Chefkolumnist hat – wie auch jeder andere – eine Meinung zur Jugendkriminalität. Das ausländische lass ich ganz bequem weg, junge Menschen aller Staaten haben schon immer gern mal draufgehauen, also ja, auch Deutsche, Chinesen, Australier und vereinzelt die Eskimos, auch wenn die nicht häufig durch Deutschlands Ghettos flanieren.
Auch ist es ein weit verbreiteter Irrtum, dass ein potentielles Opfer von Gewalt sich für die Nationalität des Fäusteschwingers interessiert, während der Kiefer eine neue Form bekommt. 99 von 100 Leuten würden es begrüßen, gar kein Opfer von Gewalt zu werden und es wären 100, wenn der letzte Befragte nicht einer seltsamen Spielart von Masochismus nachhängen würde, aber gut.
Denn Gewalt in jeglicher Form ist irgendwie doof und mit Arbeit verbunden: Polizei rufen, zum Arzt fahren, Gerichte anrufen. Wenn dann der nur mit milder Bewährung Verurteilte schief grinsend das Gerichtsgebäude verlässt, kann man schon mal denken
„Och, das hab ich mir aber anders vorgestellt.“
Politiker haben diesen Umstand für sich entdeckt und weil ja immer irgendwo Wahlkampf ist, überschlägt man sich mit gut gemeinten Ratschlägen. Roland Koch würde – zumindest entsteht der Eindruck – am liebsten keinen Säugling mehr ohne pauschale Bewährungssstrafe aus dem Geburtskanal flutschen lassen. Hätte den Vorteil, dass man den Brüllkrümel beim ersten Vergehen (mit Bauklötzen schmeißen, Pampers voll machen, solche Sachen) gleich in ein dunkles Loch schmeißen kann, ohne umständlich über alle Rechtsinstanzen gehen zu müssen.
Aber es ist so, wie es meistens ist: Die Ansichten müssen möglichst extrem sein, sonst hört einem ja keiner mehr zu.

Und das bringt uns zurück zu Jens Jessen. Als Chef-Video-Kolumnist der Zeit darf der Mann sein Antlitz in die Kamera halten und erzählen, was ihm so einfällt.
Zum Thema „Jugendkriminalität“ fällt ihm – leider – so einiges ein.
Denn getreu dem Motto „auf die Perspektive kommt es an“, dreht Jens Jessen den Spieß einfach um. Nicht die Jugendlichen mit all ihren Fäusten, Messern, Schlagringen, Pfeffersprays, Nunchakus, Morgensternen, Handgranaten und Panzerfäusten sind an sich Schuld an der Gewalt, sondern nein: Der Rentner ist es, der mit seiner Gängelei den jugendlichen den letzten Nerv raubt, bis diese gar nicht anders können als ihre Faust in die dritten Zähne des nervigen Opas zu rammen.

Man kann es deutlich vor sich sehen:
Horden von brutal ausschauenden Jugendlichen stehen an den Parkbänken der Republik und diskutieren über Sartre und philosophieren über Stochastik. Sie machen das, bis Opa Grabowski aus der Lüsenstrasse um die Ecke biegt und schon erklingt kollektives Verstummen. Man rottet sich zusammen wie die Pinguine es tun, um Ihre Eier vor der Kälte zu schützen. „Hoffentlich sagt er nix, bitte nicht!“, wispern sie im Kreis. Doch Opa Grabowski wäre nicht Opa Grabowski, wenn er nicht was zu meckern hätte.
„Schmatz nich so mit Deinem Kaugummi, junger Mann, wo sind wir denn hier?“
Das war dumm, denn jetzt kann die Jugendgang nicht anders, das Adrenalin muss raus aus dem Körper und schon liegt der Senior im Dreck.
Spinnt man die kruden Ansichten des Jens Jessen weiter, so sind Altenheime keine Begleitungsstätten zur letzten Ruhe sondern letztlich nichts anderes als Terror-Ausbildungs-Camps, um die Menschheit von der Jugend zu befreien. In ungezählten Stunden stehen die Elfriedes und die Hans-Dieters jenseits der achtzig Lenze im Aufenthaltsraum, trainieren Kendo mit ihren Krücken und fahren mit ihrem Rollstuhl über Teenager-Dummys, um den optimalen Aufprallwinkel zu ermitteln. Es wird trainiert in U-Bahnen („Machn Platz frei, oder mein Seniorenstift rotzt dich an die Wand, Kleiner!“), im Park („Mach Deinen Köter an die Leine oder ich fresse ihn auf!“) oder auf dem Wochenmarkt („Diese Tomaten gehören mir, MIR allein!“). Man sieht also, dem Heranwachsenden bleibt nur der Einsatz mit zwei Fäusten, um nicht in Grund und Boden genörgelt zu werden, auf dass man seines Lebens nicht mehr froh wird.

Auch das Prügelopfer – oder sollte ich lieber Nörgeltäter sagen? – aus der Münchener U-Bahn, der so überaus dreist war, seine späteren Peiniger daran zu erinnern, dass im Untergrund nicht gequalmt wird, ist letztlich selbst schuld: Erst brutal die Jugendlichen von der Seite anquatschen und ihnen dann auch noch den Rücken zudrehen. Da blieb den beiden Tätern keine Wahl.
Vielleicht ist es aber auch die Angst vor der Zukunft, die in Jens Jessen um sich greift. Wird es doch nicht mehr lang dauern, bis der Mensch durch die moderne Medizin 135 Jahre alt und zudem gegenüber den Jugendlichen sowieso in der Mehrzahl sein wird. Dann bilden die Teens auch anzahlmäßig die Minorität und bis zur Ausrottung sämtlicher junger Menschen durch die böse Rentnerschar ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.
Es sei denn natürlich, Jens Jessen wirft sich dazwischen.
Dann aber gute Nacht!

13.1.08

Pennys Wochenrückblick Folge 121: Ein frohes neues was?



Silvester kann eine tolle und angenehme Sache sein...wenn man eine Spezialeinheit auftreibt, die unter Zuhilfenahme diverser ätzender Chemikalien oder auch Sprengstoff den vollgesauten Raclette-Grill wieder sauber bekommt.







Bitte, ich will es nicht hören.
Von wegen froh und neu.
Es muss nun hier und heute Schluss sein mit der Mär, dass der Vollzug des Wechsels von einem Jahr zum Nächsten schlagartig positive Veränderungen in den Menschen hervorruft. Warum denn bitteschön auch?
Es gibt an Silvester so dermaßen viel zu bedenken: Alkohol kaufen. Hemden bügeln. Nicht vergessen, den Böller nach dem Anzünden loszulassen. Dass da noch Zeit für umwälzende Gedanken das eigene Leben betreffend sein soll, mag man nicht so recht glauben.

Bereits das Zelebrieren des Silvesterabends erfordert eine gehörige Portion Heuchelei. Nicht wenige huschen zu Abendveranstaltungen entfernter Bekannter, weil die besten Freunde der Meinung waren, Silvester in aller Stille auf einem einsamen Berg nahe Thailand zu verbringen, um sich Selbst, innere Mitten oder sonst was Feng-Shui-artiges zu finden.
Also geht’s alternativ auf zu Beate und Wolfgang, beide konnte man ja eigentlich noch nie so richtig leiden, weil sie sich bei Badminton-Siegen immer so eklig ehrgeizig-schadenfreudig geben. Doch man macht’s, man geht hin, sich dumme Leute nett zu saufen ist schließlich leichter, als umgekehrt, da gibt es kaum Zweifel an der Trinkerfront.

Auf der Silvesterparty eingetrudelt geht es weiter, die bereits angeschickerten Gastgeber eröffnen einem schon an der Türe, dass der Raclettegrill leider in der Raclettewerkstatt sei und dass es nun stattdessen Fondue gäbe. Die siebenhundert Zutaten, die man in 23 Plastiktüten angeschleppt hat, kann man also eigentlich direkt wieder auf die Strasse kippen, wenn die nicht am Neujahrstag sowieso schon wie nach einem mittelschweren Flak-Angriff aussehen würde. So hält man gefühlte sieben Stunden lang einen Brocken Fleisch in geschmolzenen Käse, schaut dreizehn Mal „Dinner for One“ und beginnt sich zu fragen, was DAS jetzt mit einer ordentlichen Party zu tun hat.
Man kommt zum Schluss: Nichts.

Dann Countdown, drei zwei eins, Prost, raus und Knaller vor die Füße schmeißen lassen. Hat man das flackernde Feuerchen am Hosenbund gelöscht, kann man direkt wieder hochgehen, sich ein buntes Hütchen aufsetzen und so tun, als wenn einem das neue Jahr, welches sich gerade bedrohlich auftürmt mit all seiner Arbeit, mit all seinen Sorgen, eine derartige Freude bereitet, dass man nur noch laut schreien möchte.
Viele verkraften das nicht und denken: „Hui, die Wodkaflasche ist ja noch halbvoll, das ist mir aber jetzt zu optimistisch“ und ziehen die Pfütze auf Null und irgendwann stolpert man ritzenkotzend ins Bett.

Dann Neujahr. Der erste Tag des so tollen Jahres. Der Schädel fühlt sich an wie eine vom Tsunami gegossene Blumenvase. All die netten Vorsätze, endlich mehr Sport zu treiben, laufen bereits am 1. Januar ins Leere, weil allein das Bewegen des großen Zehs im eigenen Denkapparat einen Trupp Bauarbeiter mit Presslufthämmern die Arbeit aufnehmen lässt. Unter dem Bett entdeckt man das angetrocknete Fondue von Beate und Wolfgang und verteufelt still die Raclettewerkstatt, die nicht rechtzeitig fertig wurde. Mag man sich mit Fernsehen ablenken (auf gaaaaanz leise gestellt, der Bauarbeiter wegen), spuckt man den katermindernden Rollmops schneller aus, als es einem lieb sein kann.
2008 wird alles anders als 2007: nämlich beschissener.
Stromkonzerne, Klimawarner und RTL haben sich nämlich gar nichts vorgenommen außer Preise erhöhen, vor Katastrophen warnen und minderbemittelte und unwohlsituierte Prominente in den Dschungel nach Australien schicken. Vielen Dank für nichts.
Wer da nicht schon in der ersten Kalenderwoche ne ordentliche Depression sein Eigen nennen will, muss sich ein Fass Endorphine spritzen.
Das mag nun alles ganz furchtbar pessimistisch klingen, doch bedenke man:
Für frohe Gedanken besteht zu so einer Zeit einfach kein Grund. Das Wetter ist unter aller Sau, die BILD thematisiert kontrastreich gestiegene Jugendkriminalität mit der Geburt von Eisbärdame Knutschi, das Wetter ist unter aller Sau, bis Weihnachten ist es noch ganze zwölf Monate, bis zum neuen Wochenrückblicks-Buch immerhin noch zwei Monate und das Wetter? Unter aller Sau.

Es darf also ruhig geklagt, gemeckert und herumgefrustet werden. Aber bitte ganz leise. Sonst kommen sie aus Ihren Ecken, die ehrenamtlichen Realisten, die es einem entgegen rufen:
Das Leben ist kein Ponyhof.
Zum Glück.
Sonst würd’s heißen: Aufstehen um 5:30 Uhr, Ponys im Angesicht des Morgentau auf der Koppel zusammentreiben, die Ponyscheiße mit nem Hufkratzer entfernen, sich die Möhren zum Frühstück klauen lassen, ausreiten und dumm in die Landschaft glotzen, sich vom Pony danach den Kragen kaputtbeißen lassen, weil man auch mal ne Möhre will, Pony zurück auf die Koppel bringen und fix und alle ins Bett fallen.
Wer immer meint, dass ein Ponyhof ein wahres Vergnügen sei, ist wohl noch nie auf einem gewesen.
Was aber nun ändern?
Ganz einfach, die Neujahrsdepression wird bequem unterdrückt, in dem man den kompletten Neujahrstag die Finger von den Jalousien lässt. Wichtige Vorsätze zu diversen Themen wie
Gewicht, Raucherei, Konsum von RTL2-Sendungen hält man noch eine Weile hinterm Berg und kommt damit am 17. März 2008 zum Vorschein. Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten auch wieder nüchtern und man kann gewiss sein, dass die Menschen mit einer gewissen Ernsthaftigkeit daherlauschen, wenn man das Ende einer schwarzen Lunge oder eines dicken Bauches ankündigt. Hat aber den Nachteil, dass man sich dann neuneinhalb Monate bis zum Jahreswechsel wirklich zurückhalten muss, bis es schließlich 2009 heißt:
Jetzt fresse und rauche ich wieder, soviel ich will.
Ja, bitte schön.

Auch 2008 bestellbar:
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3.1.08

Pennys Wochenrückblick Folge 120: Silvester 2007...viel (Nicht-)Rauch um fast gar nix!

vor dem Text noch ein Hinweis: Folgt diesem

LINK

und es erscheint eine Online-Version eines Zeitungsartikels in der Westfälischen Rundschau zum Thema "Lesung" und "Pennys Wochenrückblicke" im Allgemeinen!



Silvester

18:55
Die Eck-Kneipe „zum kleinen Schluckauf“ rüstet sich für den letzten Tag des Jahres. Glasbausteindicke giftgrüne Aschenbecher werden auf den Theken drapiert, die Uschi, die Emma und die Edeltraut bekommen von Wirt Kalle einen breiten Malerpinsel in die Hand gedrückt. „Für die Aschenbecher!“ Der Zigarettenautomat wird bis zum Rand befüllt, eine Nebelmaschine schafft schon mal eine authentische Atmosphäre.

19:45
Gegenüber im „FreakyFreshyFunFort“, Deutschlands erster rauchfreier Restaurantclub-VIP-Lounge kreischt Geschäftsführer Jacques ein kleines bisschen schrill in Richtung Personal:
„Fänstäär auf! Die Cretin Kalle macht die Näbbällmaschin’ an!“ Unter hektischem Hin und Herlaufen seiner 27 Angestellten mit eingebauter Frischluftgarantie sucht Geschäftsführer Jacques seinen im Baumarkt für teuer Asche…..für teuer Geld erworbenes Feinstaubmessgerät.

19:56
Im kleinen Schluckauf wird emsig dekoriert, Luftschlangen werden eilig über massive Holztheken geworfen, Konfetti aus dem Locher ziert den Boden.
„Ey Uschi, samma: Da sin ja noch weiße mit bei. Ich hab gesacht bunt!“
Uschi rückt sich die feuerfesten Schulterpolster ihrer Bluse zurecht und versucht möglichst pikiert zu wirken, so wie sie es in den Daily Soaps gelernt hat.
„Kalle, irgendwann waren die Filzstifte auch mal alle…und wer hätte sonst das Zwiebelbaguette geholt?“
Leider hat Kalle nicht zugehört, sondern zündet dem gerade erschienen ersten Gast die erste Zigarette an, während er Locherkonfetti in die Luft schmeißt.
„Bisse im Schluckauf, wa? Guten Rutsch, lass dir n Bier geben und setz dich. Der Kippencomputer steht da vorne.“

19:57
Im FreakyFreshyFunnyFort wirft Kellner Stewart sein Fernglas weg: „Chef, sie haben den ersten Gast, und er bekommt die Zigarette angezündet…bei offener Eingangstür!“
Geschäftsführer Jacques’ Kopf beginnt zu glühen und mit in die Luft erhobenen Zeigefinger brüllt er: „Isch rufä die Foiär’währ!“

19:58
Löschgruppenführer Eduard Schulz erklärt einem aufgebrachten französischen Dialekt in aller Ruhe, dass man sich selbstverständlich um eine zu lang geöffnete Kneipentür kümmern wird und es eine Ehre für ihn als Löschgruppenführer sei, den momentanen Einsatz abzubrechen, in dem ein brennendes Waisenhaus eine Rolle spiele.
Unter lautem Lachen legt Eduard Schulz auf.

21:35
Kalle hängt Schinken zum Räuchern auf. Verwirrten Erstbesuchern erklärt er: „Wenn ersma der Brutus hier is und seine kubanischen Zigarren wegsaugt, dann bekommt der Schinken so’n richtich derben Nachgeschmack.“

21:37
Geschäftsführer Jacques Puls stimmt ein Deathmetal-ähnliches Trommelgewitter an, als er auf sein tickendes Feinstaubmessgerät schaut.
„Fänstääär zu! Cretin Kalle meinen es ärnst!“
Die ersten Gäste im FreakyFreshyFunFort ziehen erleichtert ihre Jacken aus. Endlich keine Minustemperaturen mehr.

22:45
Musik wird aufgelegt. Kalles Musikbox legt los mit „Smoke on the Water“, worauf Jacques energisch kontert mit Mother Nature’s „Fresh Air!“ Kalle versucht es danach mit „Fire Water Burn“ von der Bloodhound Gang, was Jacques stilsicher mit Life of Agony’s „Last Cigarette“ beantwortet.

23:21
Die Silvesterpartys sind im vollen Gange. Zu einem kleinen Zwischenfall kommt es, als ein Gast aus dem Schluckauf halb betrunken ins FreakyFreshyFunFort stolpert und dort adhoc ins Frischluftwachkoma fällt. Minuten später brüllt Kalle grollend über die Strasse: „Gib mir mein Gast zurück, du Froschschenkellutscher! Was fällt dir ein, diese frische Luft, das is nix für den Willi!“
„Nuhr übäär, meine Laisch’, Cretin!“

23:26
Polizeiwachtmeister Grabowski muss in die stabile Seitenlage gelegt werden, nachdem er lachend vom Stuhl gefallen war. Als er wieder wach wird, stammelt er kichernd: „Der Kalle war dran, aus dem Schluckauf. Wir sollen einen entführten Gast vom Fort in seine Räucherbude zurückeskortieren, hihi!“

23:59
Countdown im Schluckauf und im Fort. Während im Schluckauf die Sichtweite mittlerweile 30 Zentimeter unterschreitet, bekommen die ersten Gäste im Fort einen leichten Sauerstoffschock und gackern wirr.

10..9..8..7..6..5..4..3..2..1..0

00:00 und 27 Sekunden
Polizeiwachtmeister Grabowski wird langsam sauer, er hält das Telefon ein wenig von sich weg, bevor er hineinbrüllt:
„Nein Jacques, erst ab 1. Juni und keine Ausnahmen. Herrgott, wir haben noch nicht mal ne halbe Minute 2008 und du regst dich auf, dass im Schluckauf noch keiner seine Zigarette ausgemacht hat. Was? Ja, Dir auch ein frohes neues Scheiß Jahr.“ Klick.

00:15
Jacques zieht Plan B aus der Tasche. T-Shirts mit Raucherlungenröntgenbildern werden unter den Gästen verteilt, Luftgewehre an die Mitarbeiter: „Schießt auf die Eizpilzä, isch will nischt, dass där värdammte Rauch zu üns inüberzieht.“ Ein überdimensionaler Duftbaum (Vanille, natürlich!) wird an der Häuserfassade des Forts befestigt.

00:25
„Feuer, ihr Gipsköppe, harhar!“ hallt es aus Kalle’s Kehle und schon fliegen dutzende Zippos durch die Nacht. Wenig später sackt der Duftbaum verkohlt in sich zusammen.

00:32
„Das bedeutät Krieg, Cretin“, keift Jacques und lässt die Hollywood-Windmaschine aus der Garage. Weißes Locherkonfetti wirbelt durchs Schluckauf, während Kalles Wangenlappen schlackern und er über den neuen Schritt nachdenkt. Soll er wirklich schon den überdimensionalen Godzilla aus dem Keller…?

00:39
Jacques fällt in eine tiefe Ohnmacht. Soeben hat ein Godzillakopf seinen Kopf durch die Fensterscheiben geschlagen. In seinem riesigen Kopf sitzt die Skatrunde „die wilden Klopper“ und kontaminieren das Fort mit Pfeiffe, Zigarre und Schnupftabak.
Aus der Umnebelung wieder erwacht greift Jacques zu einer Kiste Frischluftgranaten.

02:15
…die Polizei trifft zuerst ein. Danach diverse Krankenwagen. Die Zufahrtsstrassen zum Schluckauf und zum Fort werden weiträumig abgesperrt. Als Oberkommissar Grabowski gerade einen dreiminütigen Vortrag zum Thema Raucher/Nichtraucher in sein Meggaphon schnarren will, fliegt ihm eine volle Packung Rothändle gegen die Stirn.
SEK, Hundertschaft, Hubschrauberstaffel, dreißig Zollbeamte, leichte Panzer der Bundeswehr und ein Lockheed-Aufklärungsflugzeug bestimmen in den nächsten Stunden und Tagen die Szenerie.

In ihrer Neujahrsansprache wird Kanzlerin Angela Merkel ernst:
„Wir befinden uns im Krieg, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürga! Ausgehend von einer Silvesterfeier im Schluckauf und im Fort mussten….und hinterher musste ich George Bush beruhigen….ein demokratischer….und darum bitte ich sie: Bauen sie sich einen Luftschutzbunker. Aber bitte mit Schild an der Eingangstür, ob Raucher oder Nichtraucher! Vielen Dank!“


Ob Raucher oder nicht: Den Newsletter kann man mit einer Mail an pennysworue@gmx.de bestellen!



Allen Lesern von "Pennys Wochenrückblicke" wünsche ich ein frohes neues Jahr 2008. Die Seite geht ins dritte Jahr und mit der ersten Lesung im Dezember 2007 hat sich ein weiterer großer Traum erfüllt. Ich freue mich auch im neuen Jahr über Support, Rückmeldung und Kritik. Das spornt enorm an und lässt mich jede Woche auf die Tastatur hauen.

Also, bis nächsten Freitag.

Take Care

Penny