Pennys Wochenrückblick Folge 123: Hell come to the Jungle oder: Wenn ein Publikum kotzen geht!
Quallen haben es gut! Die sehen nix, die hören nix, müssen sich ergo auch keinen Schund im TV anschauen. Schwimmend und dümmlich grinsend, was wir aber nicht erkennen in unserer menschlichen Ignoranz, könnten sie ein glückliches Leben führen bis genau zu dem Tag, an dem sie in der Speiseröhre eines insolventen Z-Promis landen müssen. Scheiss Menschheit!
Vor zwei Wochen hab ich es vorhergesagt und nun? Hab ich auch noch Recht!
Ich war so kühn und habe behauptet, dass das neue Jahr nix Gutes bringt und dass all der Unsinn so weitergeht wie bisher. Wer kann denn da ahnen, dass die im schriftellerischen Leichtsinn dahin geworfene Vermutung schon im ersten Monat traurige Gewissheit wird?
Ich bin ein Star – holt mich hier raus lief im TV an und da waren die meisten von ihrem Silvesterkater noch nicht mal ganz runter.
War es Kalkül von RTL? Hoffte man, dass die Zuschauer im Neujahrs-Dämmerrausch zu schlapp waren, um den Fernseher kaputtzutreten?
Zum gefühlten achtzehnten Mal zogen Promis, die nie wirklich welche waren und so schnell auch nicht sein werden, in den australischen Dschungel und nervten Flora und Fauna. Leider war weder das eine noch das andere mächtig oder giftig genug, um die Eindringlinge zu vertreiben und so machten sie sich breit, die Schaffrath, der Illic, der Immel, die Herzsprung, das Tomek, um…ja um was eigentlich zu tun?
Klar, das Ziel stand fest: Irgendein Depp musste am Ende der Dschungelkönig sein, aber was nun genau mit diesem Unfug erreicht werden sollte, das konnte uns Abi-Zitlow auch nach drei Staffeln Botanik-Bullshit noch nicht erläutern.
Viele sind ja der Meinung, es geht massiv um Selbstfindung. Aber ist es das, was man als Zuschauer als erstes denkt, wenn man Bata Illic sieht? Dass so einer sich selbst finden muss? Viele uklten, der gehe in den Dschungel, um sich zum Sterben hinzulegen, aber denen ruf ich es zu: so sehen alte Leute aus. Da ist halt nix geliftet.
Michaela Schaffrath zog es in den Dschungel um – das machte sie hinterher deutlich – ihre Pornokarriere hinter sich zu lassen. Aber muss man dafür bis nach Australien reisen und dort das Gesicht in die Kamera halten? Kann man die horizontale TV-Vita nicht auch einfach bequem vergessen machen lassen, in dem man sich in einem Industriegebiet bei Virneburg oder Unterwarft verschanzt und die Öffentlichkeit nicht mehr nervt mit dem ganzen „ich drehe keine Sexfilme mehr, ich will ernst genommen werden“ – Gerede? Da setzt man sich lieber in den Dschungel und erzählt dem Eike Immel, dass „ne gute Matratze echt total wichtig ist!“
Dem Eike wiederum blieb nichts anderes übrig, als sich vom RTL-Tross in den Dschnungel zerren zu lassen, wer den Arsch voller Schulden hat, kommt normalerweise zum Schuldnerberater direkt nach der Supernanny! Aber Eike ist Promi, also muss man sich kurz vor der Privatinsolvenz noch von Ratten das Gesicht kaputtbeißen lassen.
Überhaupt, die Dschungelprüfungen, eine Farce! Vollkommen am realen Leben vorbei oder kennt ihr in Eurer Nähe einen Urwald, in dem 40.000 Kakerlaken nur darauf warten, auf Euch drauf fallen zu dürfen? Oder wo Krokodilpenisse auf Tellern drapiert nur darauf warten, von Euch verspeist zu werden? Nein, wer eine richtiges Dschungelcamp aufziehen will, braucht Gorillas, die einen in zwei Stücke brechen, wenn man sie schräg anguckt und was für einen Sinn macht das Verspeisen eines Krokodilgemächts, wenn nicht auch das Krokodil noch mit dranhängt?
So allerdings macht das Verfüttern dieses Dreckszeugs an die Promis den Eindruck, dass es dem Dschungel an Müllbeseitigungsmöglichkeiten in Form von Trenntonnen mangelt. Ein Fall für die örtlichen Entsorgungsgesellschaften, aber wohl kaum für RTL.
Unterbrochen wurde das Camp-Getöse von zwei Zwischenfällen:
Lisa Bund, scheinbar per Bohlen’schem Leasingvertrag in den Dschungel gedrängt, wusste sich schon nach kurzer Zeit nicht anders zu helfen, als Blut zu spucken. Auch dafür wurde natürlich die Insektenschar verantwortlich gemacht, die Frau Bund in den Mund zu stecken zugestimmt hatte. Klar, wenn so ein Borkenkäfer sich in der Mundhöhle einer jungen Frau erleichtern kann, wird er die Gelegenheit nutzen, aber bekommt man davon gleich ne Gastritis? Vielleicht war es eher die Gewissheit von Lisa Bund, was sie da im Dschungel genau machte und dass sie es niemals ihren Enkeln zeigen wird. Wer würde da nicht den Wunsch verspüren, sein Innerstes nach Außen zu kehren?
Da war Dee-Jott Tomekk aber schlauer. Der ließ in aller Voraussicht ein Video mit ausgestrecktem Arm drehen und vereinbarte mit dem Kameramann ein Codewort, welches zu Veröffentlichung und Rausschmiss führen sollte, wenn’s dem Hip-Hopper zu langweilig wird. Mann, Mann und ganz Deutschland fällt drauf rein.
Einen kurzen Moment hielt ich inne und wartete darauf, dass Eva Hermann dem armen Tomekk anbot, ihm eine Autobahn von Deutschland nach Australien zu bauen, aber nix kam.
Tja.
Viele Zuschauer (oder sollte ich lieber „Mitbrechende“ sagen?) bekamen aber mal wieder eine Metamorphose zu sehen, die in der Tierwelt ihresgleichen suchte, aus einer kleiner ängstlichen Dschungel-Ross-Raupe wurde ein gar wildgewordener cholerischer Dschungelprüfungs-Schmetterling. Musste man bei Verkündung der ersten Aufgaben für Ross noch fürchten, dass der Brosis-Boy die komplette Kollegen-Schar einfach bis zum Meer wegheulen würde, konnte er hinterher scheinbar nicht mehr genug bekommen von Känguru-Anus und Grashüpfern. Wie RTL nun an den Anus eines Kängurus kam, wer den sauber gemacht und zubereitet hat, wurde uns aufklärungsseitig glücklicherweise erspart, aber macht mich die Vorstellungen schon ein bisschen traurig, dass nun irgendwo in Australien ein Macropodidae mit künstlichem Darmausgang durch die Landschaft hoppelt.
Hinterher gewann Ross, weil man nun allen Ernstes der Meinung war, dass der Knilch seinen inneren Schweinehund besiegt hat, in dem er sich alles in die Schnute stopft, was ihm die Verantwortlichen vor die Nase setzten. Dabei hat man aber scheinbar vergessen, dass a) die englische Küche sich von Anus und Penis nur marginal unterscheidet und b) der wahre König des Dschungels doch der gewesen wäre, der bei der ersten Prüfung gesagt hätte:
„Wisst ihr was Leute? Schön, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, es war ja auch bestimmt nicht leicht, all die Tiere einzufangen und Körperteile des täglichen Bedarfs von ihnen abzuschneiden, aber ich denke, dass es zu meiner Menschwerdung wesentlich mehr beiträgt, wenn ich mich cocktailschlürfend an den Hotelpool hocke, vielen Dank für alles, Tschüss!“
Zum Schluss sei wie immer erwähnt, dass eigentlich nicht das Camp das Problem ist, sondern diejenigen, die darüber berichten, vielleicht mal zum Arzt müssten. Weiße Stellen in der BILD hätten wir zwei Wochen lang serviert bekommen, weil man nicht locker ließ und jeden Tag fundiert berichtete. „Wann platzt Dirk Bach?“ lautete die Überschrift eines Artikels, der beispielhaft für den Umgang mit der Sendung herhalten muss. Viele haben natürlich daraufhin Leserbriefe geschrieben und sich gefragt, wann die Dschungelprüfung „Dirk ist das Trampolin und DU bist der Springer!“ folgen würde, aber ganz so krass wollte man wohl nicht rüberkommen.
Natürlich ist es eine tolle Sache, dass man als Boulevardblatt all die Aufgeregtheiten von zwei Wochen Dauerhocken in der Botanik kommentiert (hier sehen wir Frau Biedermanns Brüste, Sonja zickt Frau Edvardson an, Frau Schaffrath sieht ja gar nicht mehr sexy aus) dann darf man aber nach dem Dschungelcamp nicht wieder den Heuchelköter von der Kette lassen und von Obzön-TV schreiben. Da kamen dann wieder Promis zu Wort, die vom Bekanntheitsgrad der Dschungelinsassen nur marginal abweichen, Deutschlands „Intellektuelle“ auf Bunte-Niveau quasi und ein Peter Hahne wurde gar poetisch:
„Wir dürfen uns angesichts solcher Sendungen nicht wundern, wenn Menschenwürde zur Worthülse verkommt und Brutalität beispielhaft wird. Denn was ist das ,Dschungelcamp‘ anderes als ein riesiges Gewaltvideo gegen Gefühle, Seele und gesunden Menschenverstand?“
Ich seh schon die ersten jugendlichen Straftäter, die vor Gericht Dirk Bach und Sonja Zietlow die Schuld an ihrer kriminellen Karriere geben.
Am Ende durfte auch RTL Sprecherin noch einen Ton abgeben und bewies, dass sie damit nicht weit entfernt vom Niveau der Sendungen lag, die ihr Arbeitgeber so produziert, denn danach befragt, ob die Menschenwürde im Dschungelcamp verletzt werden würde, sagte sie folgend:
„Die Menschenwürde wird sicher an zu vielen Orten dieser Welt verletzt, aber ganz bestimmt nicht […] im australischen Dschungel.“
Mit anderen Worten, solange es auf der Welt noch Millionen kleiner Kinder gibt, die unter unwürdigen Bedingungen Fußbälle zusammennähen und solange noch Länder existieren, in denen man fröhlich mit Macheten massakriert wird, sind hodenfressende Promis leider nicht verurteilbar.
Na, da haben wir ja noch mal Glück gehabt, was die Menschenwürde angeht!
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