28.7.06

Pennys Wochenrückblick Folge 58: ...uuuuuund in der rechten Ecke des Altersheims...

Es gibt viele Menschen, die für Mut und Entschlossenheit zu bewundern sind. Zu diesen kann man aufschauen und still bei sich denken: „Ach, wär ich doch auch bloß so mutig und entschlossen!“
Natürlich ist das Gegenteil von mutige und entschlossen nicht weit weg, falsch verstandenes Wagnis und dümmliche Beharrlichkeit sind natürlich nicht zu bejubeln.
Diese Woche verkündete Henry Maske, dass er wieder gedenke, in den Boxring zu steigen, da kann sich jetzt jeder für einen Moment selbst überlegen, ob er das toll findet oder nicht.
Als vollkommen unparteiischer Autor der Wochenrückblicke, der sich der Objektivität solcher Nachrichten gegenüber zutiefst verpflichtet fühlt und somit keinerlei Wertung in seinen Texten einfließen lässt, sage ich:

Henry, du bist n echter Vollidiot.

Zunächst geschichtliches:
Henry Maske war mal ein bekannter deutscher Boxer, man nannte ihn den „Gentleman“ des Faustkampfes und diesen Spitznamen bekam er nur deswegen, weil ihn aufgrund seiner schlaffen und defensiven Boxtaktik niemand als Weichei bezeichnen wollte.
„Weichei Maske“, damit verkauft man keine Boxer-Kaffeetassen und lockt die Jugend nicht in die Sparringräume.
Auf jeden Fall bekam der Maske schon damals nicht mal ein Ei in der Pfanne kaputt. Weil aber seine Gegner von diesem ständigen Fäuste-vors-Gesicht-halten schnell frustriert waren, verloren sie die Kämpfe am Ende.
Virgil Hill war da anders, so hieß der letzte Gegner Maskes vor ziemlich genau 10 Jahren. Der klopfte dem Maske das Gesicht dick und haute ihn in seinem letzten Kampf auf die Bretter.
Der Maske bekam – unverständlicherweise – trotzdem seine Abschiedsshow, Andrea Bocelli sang ihm im Angesicht der Niederlage sein „time to say goodbye“ und dann war Ruhe im Ring.
Fortan hielt Herr Maske sein Gesicht nicht mehr in des Gegners Fäuste, sondern in die Kameras von RTL und Co, um Kommentare zu anderen Prominenten abzugeben.
Dass er da nicht schon nach 5 Minuten den unbedingten Drang verspürte, in den Boxring zurückzukehren, statt dumme Fragen von Frauke Ludowig zu beantworten, bleibt bis heute schleierhaft.

So gingen die Jahre ins Land (das sagt man immer, als wenn man das „Jahr“ personifizieren muss, mit Stock und Hut, nur damit man ne schöne Umschreibung für „ne lange Zeit“ hat) und ein Comeback des Weichspül-Kämpfers war weder in Sicht noch zu befürchten.
Aber – das hat keiner von uns gespürt – im Henry, da brodelte es. Das hat ihm nämlich so gar nicht gefallen, dieses unrühmliche Ende, das nagt, jedes Mal, wenn der Henry mit nem Löffelchen auf sein Frühstücksei geklopft hat, muss er das Gesicht von Virgil Hill vor sich gehabt haben.
Natürlich kann es schon mal 3650 Tage dauern, bis die Erkenntnis überreif vom Baum der Entscheidungen fällt, mit 43 Jahren noch mal zu boxen.
Reflexartig regt sich da der Verdacht, dass es da weniger um die nicht verdaute Niederlage von einst, sondern um den nicht mehr ganz so schicken Kontoauszug von heute geht.
Ist typisch deutsch.
Wenn einer was macht, was er lang nicht tat, wusst sein Banker keinen Rat.
Schreibt Euch diesen Reim auf, er ist von mir, ihr dürft ihn gern zitieren.
Aber ich glaube nicht, dass Henry Maske finanzielle Schieflage erlitten hat.
Einer, der so zart den Gegner streichelt, der achtet auch auf sein Sparbuch, da kann man sich sicher sein.
Ist’s doch eher das verletzte Ego, was 10 Jahre brauchte, um aus den Füßen empor zu kriechen bis zur Großhirnrinde.
Mit der Niederlage abtreten ist halt doof. Will ja keiner. 12,89 Jahre aufs Abi vorbereiten und dann abkacken? Wär schon doof. Essen kaufen, Kerzen anzünden, doll duschen, Kondome bereithalten und dann merken, dass die neue Geliebte früher mal ein Mann war? Auch keine tolle Vorstellung.
Trotzdem sollte Henry Maske es einfach sein lassen.
Man muss auch mal einfach von seinen Erinnerungen leben, wenn einem die Gegenwart nicht genug Abwechslung beschert. Wenn der Henry jetzt nämlich noch mal verliert, dann müsste er nach demselben Prinzip nämlich Vigil Hill wieder mit 53 herausfordern. Und wenn das dann so weitergeht, hat man alle 10 Jahre kräftig was zu lachen und 2047 wird der Endkampf direkt aus dem Altersheim übertragen.
Da wünscht man sich doch in Deutschland endlich den Volksentscheid herbei.

Es ist schließlich auch klar, wie`s laufen wird:
Die beiden steigen Anfang nächsten Jahres in den Ring, viele gucken`s, weil Anfang Januar vom Fernsehen eh nur der Schrottkübel auf deutschen Wohnzimmerteppichen ausgekippt wird.
Einer von beiden wird siegen.
Ist ja klar.
Gewinnt der Virgil, können wir uns teutonisch erheben, mit dem Zeigefinger auf den Henry zeigen und heroisch sagen, dass wir es doch alle gewusst haben.
Siegt dagegen Henry, wird man kurz sagen:
Aha, hat er es noch mal allen gezeigt, schön…toll.
Dann singt Andrea Bocelli „time to say goodbye, jetzt aber wirklich“, Henry heult ein letztes Mal in seinen Boxmantel und alle gehen schrecklich berührt ins Bett, nur, um sich am nächsten Morgen zu fragen, was einen denn da so berührt hat am letzten Abend.
Doch Henry Maske wird nicht gewinnen, weil A) sich Andrea Bocelli doch im Endeffekt verarscht vorkommen muss („wenn ich time to say goodbye sing, dann mein ich das auch so“) Und B) das Leben nun mal kein Rocky-Film ist.
Da kann man nicht einfach unvorbereitet zum nächsten Metzger rennen, über die Ladentheke springen, die feilgebotene Fleischwurst der Fleischwurstfachverkäuferin ausschlagen, in die Kühlkammer hetzen und auf unschuldige Schweinehälften einprügeln.
Auch einfach auf nen Berg laufen, bis zur Spitze, furchtbar fit tun und den Namen des Gegners rufen („Wööööööööördschiiiiiel“) gibt einem keine Garantie auf einen Sieg.
Wohlstandsbäuchlein weg-sit-uppen, ein Foto des Gegners an den Spiegel pappen, aufm Klo für den Trainer beten und mal eben dann im Kampf den Gegner wegknüppeln, das ist einfach nicht drin.
Das hier ist schließlich das echte Leben.
Klar, in Amerika würden sie das alles ganz furchtbar toll finden, der Henry mit 43 noch mal in den Ring, ja super, geil, toll, awesome, great, ein echter Hero, euer Henry. Und sie buddeln Michael Buffer noch mal aus, installieren ihn als Ringsprecher (auch wenn er das lang gezogene Maaaaaaaaaasgööööööööööö nur mit ner Familienpackung Wick Blau rauschfrei rausbekommt), ein kleines Kind wedelt mit ner groooßen deutschen Fahne und dann geht die Heldengeschichte los. Aber wie schon erwähnt, hier is nix Amerika, unbegründeter Optimismus wird hier nicht geduldet.
Man muss schon fast hoffen, dass der Henry aufs Maul bekommt.
Sonst macht das Schule und irgendwann mit 57 taucht Franzi van Almsick im faltenabsorbierenden Haifisch-Badeanzug noch mal ins Becken, um Weltmeisterin zu werden.
Oder Jan Ulrich steigt drogenfrei aufs Rad.
Oder der Boris spielt noch mal Tennis, womöglich noch ohne Arme.
Schließlich war ja der letzte Auftritt so unbefriedigend.
Das wär ja so, als wenn ich nen blöden Wochenrückblick abliefer und die Woche drauf so frech bin und noch einen schreibe.
Wer will so was bloß?

21.7.06

Pennys Wochenrückblick Folge 57: Ich darf doch „Du“ sagen, oder? Nein? Dann können sie mich mal!

Es rollt und rumpelt ein „Du“ durchs Land und im Gegensatz zu unerwünschten Braunbären und Weltmeisterpokalschleppenden Italienern wird es nicht sofort erschossen.
Es musste ja auch so weit kommen, denn das Sommerloch nahm schon bedrohliche Ausmaße an, bis die BILD kam, um es mit einer gehörigen Portion Unfug zu stopfen.
„Wollen wir uns alle duzen?“ las ich zu Beginn der Woche und spontan dacht ich:
„Nö!“, aber meine Meinung ist ja selten gefragt.

Oberbegrifflich rechtfertigt die Boulevardzeitung diese groteske Frage mit dem dritten Platz der WM und dem tollen Wetter, was das alles aber nun mit unverhohlenener geplanter Duzerei auf offener Strasse zu tun hat, wird auf der ersten Seite noch nicht klar.
Da kann man sich freuen, dass wir die WM nicht GEWONNEN haben, die Titelseite würde vermutlich: „Wollen wir alle miteinander schlafen!“ lauten, entstanden im Vollsuff harmoniesüchtiger BILD-Mitarbeiter. Auch hier würden wir „Nein Danke!“ sagen, weder fürs komplette-Volk-duzen, noch fürs komplette-Volk-poppen haben wir Zeit, der Alltag krümelt zurück in unser Leben und der Keks der Freude schwebt unerreichbar über unseren Köpfen im All.
Oder so.
Das war jetzt ein reichlich blöder Satz, aber auch ich habe das Recht, mal reichlich blöde Sätze zu schreiben.
Aber jetzt weiter im Text, es ist heiß und lesen ist anstrengend!

Im Innenteil der BLUT wird’s schon klarer, so wird das Sport-Du mit einem temporären Vorteil auf den Sockel der Duz-Glückseligkeit gehoben, denn „Herr Meier, bitte passen sie den Ball zu mir“ dauert viel zu lang, stattdessen also: „Meier gib ab!“
Gut, man kanns drehen und wenden wie man will, aber eins ist mal klar: Ein Sportverein, in dem sich die Leute bisher ersteren Satz zuriefen, um die Pille an die Flunken zu bekommen, soll und darf nicht und niemals existieren. Falls doch – in einem Parralleluniversum voller Eitelkeiten, eventuell – mag ich mir gar nicht die Fans vorstellen, die da ebenfalls siezend von der Tribüne aus Schirifehlentscheidungen kommentieren:
„Sie nicht allzu netter, Schiedsrichter, Sie! Dieser gelbe Faltkarton für unseren geschätzten Mitspieler war jetzt nicht nötig! Deswegen buhen wir sie jetzt ein wenig aus!“
Das stelle man sich mal im Chor vor. Da ist das „Schiri, Du Arsch“ doch wesentlich knapper und inhaltlich ebenso stimmig!
Also im Sportbereich hat das Du seine Berechtigung, weil alles andere am Rande der Lächerlichkeit herumtanzen würde. Aber das war schließlich vorher auch schon klar.
Auch das so genannte Theken-Du ist landauf und landab schon bekannt, doch Bild meint „spätestens nach dem fünften Bier“. Nun denn, wer ne Hand voll Finger Pils benötigt, um genug Mut zu haben, seine Mitmenschen zu duzen, der macht vielleicht sonst im Leben noch was falsch.
Als drittes dann das Party-Du: In von Lampions und Luftschlangen geschwängerter und verrauchter Partyluft sagt man: “Hallo, wir heißen Klaus und Ilona!“
Ich würd ja jetzt antworten: „Hi, ich bin der Penny und ihr habt scheißlangweilige Vornamen und bevor wir hier nicht fachmännisch Brüderschaft getrunken und uns die Zungen in den Hals geschoben haben – das gilt jetzt nur für Ilona – wird hier schon mal gar nicht geduzt!“
Aber nein, laut Bild bedeutet dieser harmlose Satz schon alles, er signalisiert „dass wir gern duzen, jetzt müsst ihr uns auch duzen“. Emotionale Erpressung auf höchstem Niveau, aber hey, im Knigge steht ja auch, dass man auf Partys als Nichtalkoholiker zumindest ein bis zwei Glas Sekt trinken MUSS, um nicht als ehemaliger Alkoholiker verschrien zu werden.
Herrlich bekloppte Welt.

Dann das Nachbarschafts-Du, das sich, so die Zeitung, ganz beiläufig auf Mieterversammlungen gibt:
„Jetzt sagen wir alle DU zueinander!“
Sollen wir uns das wirklich so vorstellen? Auf Versammlungen, wo die Menschen in sonnengelben Pullis und störrischen Augenbrauen auf die Post-Mieterversammlungs-Schnittchen warten, springt irgendein Freak auf und brüllt oben genannten Satz?
Ja, wir sind hier immer noch in Deutschland und bevor wir uns alle duzen, wird erstmal das Kirschbaumproblem der Nachbarn Müller und Krawutzke gelöst. Man muss auch Prioritäten setzen.

Ich überspring mal drei langweilige Du`s und geh direkt aufs Firmen-Du.
Zwischenzeitlich entschuldige ich mich für all die „Du`s“ in diesem Text, aber mein Synonymwörterbuch hat für „Du“ keine spannenden Alternativen auf Lager. I am sorry!
So, also, das Firmen-Du. Vorschlag der Bild?
„Ich bin die Angela, wir duzen uns hier alle!“
Ja wenn man so begrüßt wird als Neuling, hat man auch schon verloren, schliesslich lautet der komplette Satz:
„Ich bin die Angela, wir duzen uns hier alle, aber SIE werden wir nicht duzen, das verdient man sich hier erst…ach und da vorn steht der Kopierer!“
Ach und das Belohn Du!
Nach dem WM Sieg 1990 sagte Beckenbauer:
„Ihr dürft alle Franz zu mir sagen!“
Ja schick, da scheißt doch der Fußballer auf den WM-Pokal, auf Sportwagen und glitzernde Uhren, nix, all der Mammon, weg damit, ab heute duzen wir den Kaiser.
Man muss auch Prioritäten…na ja, sie wissen schon.
Fehlt noch das letzte Du und da haben sie wieder den hauseigenen Zeitungsclown mit nem Witzedefilibrator ins Leben zurückgebracht, der noch schnell den Gag der Woche riss.
Das Sex-Du.

Erste Frage danach: „Wie heißt DU eigentlich!“

Ja, wenn sie an dieser Stelle gelacht haben, verlassen sie sofort meine Website, sie haben keinen Sinn für Humor und das wird Ihnen hiermit bescheinigt.
Aber fällts auf? Auch ich weiss nicht ob ich DU oder SIE zu meinen Lesern sagen soll.
Ich sag: Mal so und mal so. Kommt vielleicht auch aufs Thema an. Da bin ich ganz 68er und nehm mir die völlige Anredefreiheit. Sauer war schließlich noch keiner, kam noch niemand um die Ecke, der geschimpft hat: „Hömma Penny, du alter Sack, siez mich gefälligst in deinen Texten!“
Die BILD wies übrigens noch daraufhin, dass in Ländern wie z.B. in Amerika sowieso nur geduzt wird und man verbessere mich, wenn ich jetzt klugscheisserisch daherquatsche, aber mit dem Kniggeneutralen „You“ bleibt dem Amerikaner auch nichts anderes übrig.
Gehen wir doch noch schnell den umgekehrten Weg, bevor wir jetzt alle duzend auf die Straße rennen und uns gehörig unbeliebt machen.
Warum nicht die Menschen siezen von Anfang an. Schon die Babys.
All die Eltern, ich kann sie hören:
„Hören sie, Frau Anna-Maria, dieses Fläschchen ist angefüllt mir feinster Hipp-Karotte-Spinat-Mischung für den kleinen Hosenscheisser ab drei Monaten! Würden sie die Freundlichkeit besitzen, dies Gemisch nicht auf meine blaue Bluse zu erbrechen, das korrespondiert farblich leider gar nicht miteinander!“
Klingt doch glich viel freundlicher als: „Kotz mir aufs Hemd und ich schalte heut Nacht das Babyphon aus!“
Oder?
Auch ein: “Herr Jan-Felix, würden sie bitte ihren in früheren Zeiten von mir häufig als Saustall bezeichneten Kinderpalast ein klein wenig aufräumen, damit wir hier wieder alle in Einklang und Ruhe leben können?“
Da steckt so viel Friedlichkeit drin, da können die Supernannys dieser Welt ihre schwarzen Klamotten ausziehen und sich auf dem Weg zum Arbeitsamt machen.
Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen, ich geh kalt duschen.

Macht`s gut, sie werden mich nächste Woche hier wieder antreffen.

14.7.06

Pennys Wochenrückblick Folge 56: Kopfstöße, Glatzenrammer und andere schöne Synonyme!

Seit dieser Woche ist Vorsicht geboten.
Wenn man sich nämlich, ohne es eigentlich so richtig böse zu meinen, von seinem Gesprächspartner mit der an sich recht harmlosen Abschiedsfloskel „Ciao“ verabschiedet und das Gegenüber auch noch frenetischer Fan der deutschen Nationalmannschaft ist…ja dann ist das Risiko recht groß, dass man einen „Zidane“ bekommt.
In nach frischer Druckerschwärze stinkenden Synonymwörterbüchern wird man`s nachlesen können: „Zidane“ steht seit dieser Woche für fachmännische Solar-Plexus-Zertrümmerung unter Zuhilfenahme des eigenen Betonschädels.

Da konnten ja die Italiener Weltmeister werden wie sie wollten, das interessierte keine Socke, doch Zizous kurzfristige Metamorphose in einen Drei-Tonnen-Stier war in aller Munde.
Kurze Überlegungen meinerseits, dass der Herr Zidane sich nur die Schuhe zubinden wollte und der Herr Materazzi diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte, um dem Franzosen seinen Brustkorb mit voller Wucht an den Kopf zu rammen, musste ich nach mehrfachem Betrachten der Zeitlupe wieder revidieren.
Keine haltbare Theorie, zu schade.

In den Tagen darauf bekam die ehrbare, aber leider selten beschäftigte Gilde internationaler Lippenleser-Experten (alle mit einem Diplom in Lippenleseristik) endlich mal wieder was zu tun. Da rauchten die Köpfe der Spezialisten, denn anders wollte sich das Geheimnis zunächst nicht entlocken lassen.
Was hat er nun geheimnisvolles gesagt?
Vielleicht war es ja ein harmloses „Du bist voll doof!“
Reicht das schon für einen freundschaftlichen Kopfstoß?
Vermutlich nicht.
Oder wie wäre es mit „Wasch dir doch mal die Haare“?
Auch nicht.
Vermutlich eher so was wie „Dein Opa hatte Geschlechtsverkehr mit meinem Goldfisch!“
Das ist schon mal ein „Nickerchen“ wert.
Nun, auf jeden Fall hatten wir es mit einer waschechten WM-Premiere zu tun, Vorhang auf für den ersten Italiener, der berechtigterweise nach einem Foul vor Schmerzen schreiend auf 2,8 cm langer Fifa Wiese lag.
Doch der Herr Materazzi hätte es eigentlich wissen müssen, schließlich war das nicht Zizous erster Kopfstoß.
Unaufmerksame Beobachter könnten bei genauerem Hinsehen auf Zidanes Tätigkeitenkarriere den Eindruck bekommen, dass der Franzose in seiner Jugend eine Ausbildung als Abrissbirne hinter sich gebracht hat:
„Hey Zizou, auf der Champs Elysees müssen wir wieder ein Stahlgebäude niederreißen!“
„No problem“, hin zur Elysees, Hut ab, Ruuuuumms und schon schwebte über Paris eine schicke Staubwolke.

Ach.
Guck mal.
Hier neben mir liegt noch ein Stutzen-Spickzettel von Torwarttrainer Köpke, ein Zettel der bei einem möglichen Elfmeterschießen gegen Frankreich zum Einsatz gekommen wäre:
„Jens, wenn der Glatzkopp schießt, vorher irgendwas gegen den dritten Vetter seiner Tante sagen, möglichst unter Einbeziehung des Bauernhofes seines Onkels, der in einem kleinen Vorort von Paris verweilt! Und nich auf Deutsch!“
Den Zettel vertick ich erst mal bei Ebay und mach ne Kreuzfahrt.
Auch interessant gewesen wäre eine nicht freundschaftliche Begegnung zwischen Zidane und unserem Edeltorwartreservisten Olli Kahn. Ein falsches Wort hier, ein heranstürmender Zizou dort und unter Garantie hätte man den Atompilz aus dem All sehen können.
Auf jeden Fall hat der Materazzi tatsächlich was über Zidanes Familie gesagt und zwar
folgenden Satz:

„Hey Zizou, deine Mutter und deine Schwester und du, ihr könnt doch mal nach dem Finale zum Kaffee vorbeikommen, ich hab auch Puffreis, meine Frau macht Euch Spinat, und ich schenke Euch für das nette Finale ein paar meiner schönsten Uhren!“

Klingt ja jetzt eigentlich nicht schlimm, aber aufgrund leichter Übersetzungsprobleme kam beim Franzosen nur folgende Wortfetzen an:
„Mutter…Schwester…Puff…Spinner…Huren!“
Blöd gelaufen.

Aber auch all das juckt uns nicht mehr, denn Jürgen Klinsmann ist…Taschentücher raus jetzt…zurückgetreten.
Dass uns das alle traurig macht ist schon ein bisschen verständlich, weniger verständlich sind aber so manche Reaktionen auf den Rücktritt und auf die damit verbundenen Konsequenzen.
So meint irgendein hohes Tier von Eintracht Frankfurt sich folgend äußern zu müssen:
„Klinsmann liebt den Fußball nicht genug, wenn er jetzt kneift.“
Diese Aussage zeigt, dass gewisse Menschen es immer noch nicht verstanden haben.
Als Fußballtrainer der Nationalmannschaft gibt es nämlich nur zwei Möglichkeiten: entweder man scheidet frühzeitig aus und wird mit Schimpf und Schande aus dem Land gejagt oder man wird gefälligst Weltmeister. Viel Platz für Zwischennuancen ist da nicht.
Dritter werden, ein ganzes Land trotz dieser Tatsache in Extase zu versetzen und sich danach wieder der Familie widmen und eine schöne Erinnerung mitnehmen, das gefällt dem leistungsorientierten hohen Tier von Eintracht Frankfurt so gar nicht. Nebenbei bemerkt: wäre man in der Vorrunde ausgeschieden und hätte Stümperfußball gezeigt, hätte man dann nicht auf jeden Fall behauptet, dass Herr Klinsmann den Fußball über alles liebt, gerade weil er zurücktritt?

Wie auch immer, es zeigte sich, dass auch 82 Millionen (abzüglich der paar Tausend, die bei der WM unterm Stein geschlafen haben) es nicht schaffen, den Klinsi zum Bleiben zu überreden. Das verdient ja auch irgendwie Respekt.
Und jetzt machts der Jogi.
Sofort wurden die typischen deutschen Reflexe ausgepackt. Es wurde gemutmaßt und gegrübelt. Kann der als eher gemütlich geltende Jogi Löw dem exstatisch über die Seintenlinie hüpfenden Nationalflummi Klinsmann überhaupt das Wasser reichen? Ist der auch so schrecklich vollgepumpt mit grenzenslosem Optimismus, wie unser Bäckers-Sohn?
Ach ich kann sie schon vor mir sehen, die dicke BILD Schlagzeile:
„Jogi Löw grinst weniger als Klinsi. Schneidet ihm der DFB jetzt die Ohren ab?“
Tja, wer im Kreis lachen muss, um im Bundestrainerteam sein zu dürfen, der hat gute Chancen, wenn er Jürgen Klopp heißt.
Der soll ja auch ins Boot genommen werden.
Aber ich wage mal die These, wenn der DFB einen Werbevertrag mit Gillette abschließt, dass der Herr Mayer-Vortrinker dann vor Klopp steht, Rasierschaum und Klinge hochhält und ihm so andeutet, dass jetzt eine Stilveränderung ansteht und der Dreitagebart leider weg muss.
Ich sag mal: Das wird eine herrliche EM Quali.
Und dann auch noch ohne Maradona.
Sauber.

7.7.06

Pennys Wochenrückblick Folge 55: vierundfünfzig,vierundsiebzig,neunzig,zweitausend...na irgendwann halt!

So, nun ist es also soweit.
Wir sind raus, weg, futsch, Schicht im Schacht, Ende im Gelände.
Entgegen aller ernsthaften Vermutungen ging die Welt nicht direkt unter, im Westfalenstadion tat sich kein Krater auf, der die im Halbfinale ausgeschiedene Nationalmannschaft auf nimmer Wiedersehen verschluckte.
Bitter war es natürlich trotzdem, wer 118 Minuten den Platz rauf und runter rennt, erwartet als Belohnung nicht gerade das alles vernichtende Gegentor in letzter Sekunde sondern vielmehr das chancenreiche Elfmeterschiessen.
Aber, Bela Rethy kannte sich da geografisch recht gut aus, Italien sei nicht Schweden.
Stimmt.
Merkt man schon am Temperaturunterschied und an der Haarfarbe der Frauen.
Aber dass das die Niederlage des deutschen Teams erklären soll, fällt schwer zu glauben, schließlich befand man sich ja – so was wird auch immer gern behauptet – auf Augenhöhe.
Schließlich hatte man mit Argentinien schon wieder einen „Großen“ geschlagen, aber das ist eigentlich auch Quatsch, die Südamerikaner sind schließlich im Schnitt nicht größer als ein halber Zigarettenautomat.

Auf jeden Fall war nach 118. Minuten Schluss mit lustig.
Ich selber, auf dem Dortmunder Südwall stehend, habe natürlich in weiser Voraussicht meine Trauer nur auf Halbmast gehisst, schließlich sind die Befürchtungen nicht unberechtigt, dass Angie Merkel quasi direkt aus dem Stadion nach Spielschluss einen Gesetzesentwurf für eine Tränensteuer aus dem Pastelljackett zieht.
Dann macht sie „Tadaaaa“ und schon erklärt sie uns, dass das jetzt wahnsinnig wichtig für die Haushaltskonsolidierung wäre.
Überhaupt: Der Fußball und die Politik. .
Das sind zwei Dinge die echt gar nicht gehen, so wie Speiseeis und Kakteen.
Auf welch unerträgliche Art und Weise sich die Berliner Parlamentskaste sich in den letzten vier Wochen zum Beispiel der Kicker-Rhetorik bediente, das war schon kaum noch auszuhalten.
So wie Deutschland spiele, so müsse auch das Volk sich durch die Zukunft kämpfen, Merkel sitzt am Ende des Tunnels und leuchtet schon mit der Taschenlampe.
Natürlich, wer immer mehr Belastungen beschließt, obwohl man da mal in grauer Vorzeit was anderes vereinbart hatte, der kann sich bei den Deutschen ein Jubel-Trubel-Heiterkeits-Abo kaufen.
Die Presse war da auch recht schlau und erkannte früh, dass die Politik ja all die Belastungen gerade jetzt in die Phase der WM liegt, weil nun alle so schön euphorisch sind und Deutschlandfähnchen an der Karosserie installieren.
Klar, der Durchschnittsgermane ist ja auch blöd wie ne Packung Weißbrot, ne gut gespielte WM als Ablenkungsmanöver und schon vergisst man landauf und landab, was die Vollpfosten der Regierung nach zähen und langen Verhandlungen so vor sich hin beschließen.
Mann kann übrigens geteilter Meinung darüber sein, ob es wirklich der Notwendigkeit bedarf, monatelang über eine Gesundheitsreform zu debattieren und am Ende nicht viel mehr als eine weitere Lohnnebenkostenerhöhung herauskommt. Das – man verzeihe mir – ist wie 118 Minuten toll spielen und dann einen reinkriegen.

Aber gut, in der Politik scheint man eh nicht so den Durchblick zu haben, auch nicht im Fußball. Denn Ursula von der Leyen, ihres Zeichens Familienministerin und die einzige Legehenne in Deutschland mit politischem Amt, wurde befragt, wie sie nun die Schockminute erlebt hat, in der Italien Deutschland aus dem Turnier schoss. Die antwortete – warum auch immer – wie folgt:
„Also, als das Tor fiel, da hab ich geschrieen: Jungs, ihr schafft das jetzt noch!“
Wenn sie da wirklich die deutsche Mannschaft meinte, dann sollte man ihr in einer Expertenrunde vielleicht mal verklickern, dass die Dauer von so einem Spiel mit Verlängerung nicht der einer durchschnittlichen Zwillings-Schwangerschaft entspricht.
Nun, wie auch immer, es gibt auch erfreuliches:
Zum Beispiel ist die Zahl der Leute, die nun klugscheißerisch aus ihren Ecken quillen und mit einem „ich hab’s doch gewusst“ anderen Menschen den Sauerstoff klauen recht gering. Denn nur die wenigsten hätten damit gerechnet, dass die Klinsi-Elf im Halbfinale gegen Italien in der 118. Minute den Geist aufgibt.
Und die, die vorher meinten, das würd eh nix werden mit dem Titel, die dürfen auch in ihren Höhlen hocken bleiben. Eine schlimmere Form Kritiker kann es auf dem Erdball gar nicht geben, die die kleine Wahrscheinlichkeit auf den Titelgewinn dafür ausnutzen, großkotzig herauszuposaunen, dass man es eh nicht schafft. Solche Nörgelköppe haben schließlich immer irgendwann Recht.
Ehemalige Heuchler dagegen, die gibt es genug. Eine fantastische Arbeit habe er abgelegt, der Herr Klinsmann, sülzt zum Beispiel Uli Hoeneß, der noch vor der WM nicht müde wurde, wie ein funktionierendes Perpetuum Mobile im Tagestakt zu betonen, dass eine Nationalmannschaft aus nicht zu trainieren sei, wenn der Trainer in Kalifornien haust.
Oder die ehemaligen Kritiker der Entscheidung, Deutschlands einzige fussballspielende Kommode mit eingebautem Motor zu nominieren, die verstummen nun auch. Schließlich hatte David Odonkor viele gute Szenen.
Jetzt will man den Bundestrainer sogar BEHALTEN, ganz entgegen der festen Tradition den Trainer turnusmäßig auszutauschen, wenn man keinen Titel erringt.
Aber der will sich Bedenkzeit einräumen, womöglich sogar in Kalifornien und da wird’s, ohoh, bestimmt erste Kritikerstimmen geben.
Jetzt spielen wir aber erst mal um Platz drei, noch ein letztes Mal Pabblick Fjuink auf den Fanmeilen, ein letztes Mal die Hymne gröhlen, ein letztes Mal für Deutschland schreien.
Nach der WM muss er gefunden werden, der perfekte Zeitpunkt fürs Fahne abschrauben, der genau zwischen Nach-WM-Euphorie und falsch verstandenem Patriotismus liegt.
Und die CD von den Sportfreunden kann man sich auch gleich kaufen „54,74,90,2010“ Marketing kann so grausam sein.

Oder man lässt seinen Frust an toten Gegenständen aus:
Eine Künstlergruppe kam auf die grandiose Idee, 16 Beton-Fußbälle in Innenstädten zu deponieren mit der Frage: Can you kick it?
Abgesehen davon, dass das nun nicht besonders künstlerisch gilt (mancher gilt ja schon als Künstler wenn er sieben verrostete Fahrräder aufeinander stapelt…), gab es leider einige, die die Betonkonsistenz der Bälle nicht prüften und einfach davorbolzten.
Das macht Aua am Fuß und Hass auf die Kunst.
Schon rückten Polizei UND Staatsschutz aus, klar, nicht dass noch irgendein hoher Staatsbeamter vor die Betonpille holzt. So ein Unfug wird schliesslich demnächst von Krankenkassen nicht mehr bezahlt.
Doch es gab auch positive Resonanzen, Kinder hätten mit den Bällen gespielt (wie auch immer man das mit Betonbällen macht…) und Passanten hätten geschmunzelt (was an Betonbällen jetzt auch immer besonders witzig sein soll…). Also könnte man die Dinge ja auch mal anders sehen, so eine Sprecherin der Gruppe.
Ob man diese alternative Sicht der Dinge besitzt, wenn man mit einem Mittelfußbruch begipst im Krankenhaus vor sich hinschwitzt, darf allerdings ein bisschen bezweifelt werden.

So.

Ansonsten reih ich mich mal ein in die Danke-Schreier und sag auch „Danke“ an die Mannschaft und das Land, herrliche vier Wochen waren das, eine Urlaubsatmosphäre, vor allem in meiner Dortmunder Heimat, die zu beschreiben mir nur sehr schwer fällt, aber eine Erinnerung, die ich noch lange in mir tragen werde. Schade, dass nicht jedes Jahr WM ist.