Pennys Wochenrückblick Folge 115: Über die Kunst, Kunst als Kunst zu erkennen!
Ist Kunst! Sieht man ja wohl!
Der alte Pablo Picasso hat mal den Satz getan, dass Kunst eine Lüge sei, die uns die Wahrheit erkennen lasse. Da Pablo Picasso sich im Pinseln unförmiger Menschenkörper regelrecht auszeichnete, muss er wohl wissen wovon er redet. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur einen Knick in der Optik und den Drang, bedeutungsschwangere Sätze in die Welt auszutragen.
Egal.
Heute wird Kunst auch vielfach anders definiert und das mit nicht minderschweren Folgen. Wer siebzehn rostige Fahrräder aufeinander gestapelt bekommt ohne dass dieser Kladderadatsch scheppernd in sich zusammenbricht, wird nicht als genialer Schrottplatzplatzsparer gefeiert, nein: man sagt „Künstler“ zu ihm.
Es herrschen da viele Vorurteile. Dass man diesem rostigen Ungetüm einen Namen gibt – „Tour de Matyr“ oder ähnliches – es danach in eine Galerie schleppt und dass in Schals eingewickelte und mit Baskenmützen behutkopfte Männer rotweinsüffelnd und gurgelnd davor stehen und bis zur Besinnungslosigkeit mit japanischen Austauschschülerinnen die tiefe Weisheit von…siebzehn rostigen Fahrrädern ergründen.
Ist es ein Vorurteil?
Ich weiß es leider nicht, ich bin nicht oft genug in Galerien des Landes umherstolziert, als dass ich dies wirklich beurteilen könnte, dennoch…lauscht man den Nachrichten, könnte es sein, dass ich mich bestätigt sehe.
Seit dieser Woche muss sich die 30-jährige Sam Rindy in Frankreich vor Gericht verantworten. Sie hat üblen Vandalismus an einem Kunstwerk betrieben. Nicht, dass sie irgendwo ihre Faust durch ein Bild gekloppt oder eine jahrtausendalte Büste mit Blausäure übergossen hätte. Sie hat ein Gemälde geknutscht. Und auch nicht, weil sie randalieren wollte sondern weil sie selbst Künstlerin ist und sie aus einem „Akt der reinen Liebe“ gehandelt habe. Das Vorurteil, dass manche Künstler ganz schwer einen an der Waffel haben, wenn sie schon so weit gehen, ein Gemälde abzulecken…das könnte man schon mal so unterschreiben.
Doch Sam Rindy hat nun nicht irgendein Gemälde geküsst. Auch nicht die Mona Lisa, deren resignierter Blick einen Schmatzer sicherlich vertragen hätte, nein:
Sie hat ein weißes Bild geküsst. Zwei mal Drei Meter groß. Nun hat sie den Salat, weil das Bild nicht mehr weiß ist. Ein Schaden von 2 Millionen Euro.
Ich kann genau sehen, wie Rückblicksleser jetzt ihren Zeigefinger Richtung Stirn bewegen, um dort mal ordentlich draufzutippen, aber lasst Euch gesagt: es war ja nicht irgendeine weiße Leinwand. DIESE Leinwand zeigt einen weißen Stern. Dass man nun diesen formvollendeten und mit viel Liebe zum Detail kreierten Stern nicht sehen kann, liegt daran, dass er sich nun mal leider auf einem weißen Untergrund befindet. Da hat der Künstler Cy Twombly beim Mischen der Farben halt mal daneben gelegen.
Pragmatisten und Menschen, die einfach nur einen glasklaren Verstand ihr Eigen nennen dürfen werden jetzt sagen: „Moment mal, was soll denn dieser ganze Unfug. Warum muss denn diese arme Frau, die von einem Akt der Liebe durchströmt war, nun vor Gericht? Warum hängt man nicht einfach eine neue weiße Leinwand auf?“
Ist doch logisch, weil dann die behutkopften rotweingurgelnden Männer vor dem Bild stehen und Sachen sagen wie:
„Der Stern ist weg. Oder ich vermag ihn nicht mehr zu erkennen. Auf jeden Fall ist er weg, soviel steht mal fest. Ich fühle mich schwer verarscht und werde diese Galerie in Brand setzen und wenn es mich sämtliche Rotweinbestände kosten wird!“
Darum wird die arme Frau verklagt. Zu blöd, dass wir nicht in der Zukunft leben und neben dem Nagellackentferner der Lippenstiftentferner noch nicht Einzug gehalten hat in die Patentämter dieser Welt.
Mit nem Radiergummi wird es auch nicht weggehen.
Klug wäre es von der Französin gewesen, wenn sie sich für unzurechnungsfähig erklärt hätte. Sie hätte einfach behaupten können: „Ach herrje, ich bin so bekloppt. Weißer Stern auf weißem Grund. Ich dagegen habe in dem weißen Bild den Bart des Weihnachtsmannes gesehen und wer, wenn nicht der Weihnachtsmann hätte nach all den Jahren harter und nicht belohnter Arbeit nicht mal einen ordentlichen Knutscher verdient?“
Begleitet von allerlei Zuckungen im Augenwinkelbereich wäre sie vielleicht in eine Klinik eingewiesen worden, die Schadensersatzklage hätte man so nicht aufrechterhalten können.
Nun ist es wie es ist, ein Gericht muss die Frage beantworten ob ein Kuss auf einer weißen Leinwand zwei Millionen Euro Schadensersatz wert ist und der Rest der Welt darf sich fragen, auf was für einem Planeten wir eigentlich leben. Gern würde ich die Initiative ins Leben rufen und für den gebeutelten Künstler einen SMS-Service im Fernsehen anbieten, präsentiert von allerlei hyperventilierenden kreischenden Frauenstimmen:
“Lad ihn Dir aufs Handy: den weißen Stern auf weißen Grund, das Knallerbild von Cy Twombly. Für nur 1,99 verschönert dieses Gemälde Dein Siemensnokiasamsung...“ Da kommen auch schnell Zwei Millionen Euro zusammen. Wäre Cy bei rostigen Fahrrädern geblieben, wäre das sicher nicht passiert. Nur die wenigsten dürften metallischen Rostgeschmack als Gaumenfreude empfinden, aber so ist das mit der Kunst.
Ich mache mir in der Zeit so meine Gedanken und überlege, ob ich nicht auch Künstler werde. Keinesfalls wäre ich dann so vermessen und würde in Galerien wütend auf Bilder zeigen und „DAS KANN ICH AUCH!“ brüllen. Auch eine zweite weiße Leinwand malen und behaupten, dass dies ZWEI weiße Sterne auf weißem Untergrund darstellen, wäre mir zu billig.
ICH werde eine SCHWARZE Leinwand machen. Makellos, fehlerlos. Galerien werden Trilliarden von Euros auf mein Konto überweisen, nur damit ich dieses wundervolle schwarze Gemälde von Montagmittag bis Dienstagabend bei ihnen aufhänge.
Schwarz, schwärzer, schwärzer als Schwarz.
Ich nenne es: Innenansichten eines Dickdarms.
Oh, wie sicher ich mir sein kann, dass dies Gemälde niemand küssen wird.
P.S.:
Hier sei nun das Zitat von Picasso noch einmal hervorgekramt und bestätigt: Kunst ist eine Lüge (weißer Stern auf weißem Grund), die uns die Wahrheit (wie bekloppt muss man sein, um Eintrittsgeld für so ein Bild zu bezahlen) erkennen lässt. Schön wäre es nur, wenn alle es erkennen, auch die Künstler selbst.
Zu hoffen ist das nicht.
Schickt mir Eure schönsten weißen Bilder und abonniert den Rückblicks-Newsletter per Email. Schreibt an pennysworue@gmx.de