27.10.06

Pennys Wochenrückblick Folge 71: Ach der Herbst! Tage kürzer und Bremswege nicht so sehr!

Im Prinzip ist der Herbst ja eine prima Sache. Also zumindest der Anfang.
Wenn die Sonne noch angenehm warm vom Himmel scheint.
Wenn die Blätter goldgelb und in was weiß ich nicht alles für romantischen Farben auf dem Gehsteig liegen.
Da kann man wunderbar mit seinen Füßen hindurch rascheln, Raschel, Raschel, raschelt es auf Regenwurmhöhe. Man könnte bis in alle Ewigkeit dieses schnarrende Geräusch mit seinen Stampfern verursachen, wenn man nicht irgendwann gegen einen im unerbittlichen Herbstlaub erstickten Igel treten würde.
Von da an ist es schlagartig vorbei mit der guten Herbstlaune, ab da wird Laub böse und dies ist auch die Zeit, wo es auf die Strasse kriecht, um mit kaltem Herbstregen eine todbringende und fiese Allianz des Schreckens einzugehen.
Alljährlich werden Autoverbände, Polizeisprecher und Zeitungen nicht müde zu betonen, wie gefährlich schmierig und seifig verregnetes Herbstlaub sei und das mit uneingeschränkter Vorsicht gefahren werden muss. Nasses Baumgetöse steht dann schnell auf einer Stufe mit Glatteis.
Und das ist ja schon nicht richtig, das wird jeder bestätigen können, der erfolglos und schlimme Wunden davontragend seine Schlittschuhe mal auf nassem Laub ausprobiert hat.
Aber trotzdem: Laub ist Teufel und der Herbst an sich voller Unannehmlichkeiten für die, die es wagen, sich ihm entgegenzustellen.

Ist es nicht immer wieder interessant, was für Gefahren lauern, wenn harmlose Dinge in Massen auftreten? Also, so ein Glas Wasser hat zum Beispiel eine nur begrenzte furchterregende Wirkung. Man kann das Wasser in dem Glas anpöbeln, es verunglimpfen, ihm schlimme Namen geben („Du…Coca Cola Zero, Du!“) und wenn man die Nase voll hat vom Wasser beschimpfen, dann schüttet man es in den Ausguss und schon ist Stille im Karton.
Steht man allerdings sieben Millionen Wassergläsern gegenüber, dann sieht der Fall schon ein bisschen anders aus und wüste verbale Traktierungen bleiben flugs im Halse stecken….jetzt bloooooß keine falsche Bewegung.
Und so ist es auch mit Laub. Hebt man so ein Blatt vom Gehweg auf, lässt es sich ohne nennenswerten Widerstand in ein Lexikon pressen, wo es frustriert dahinwelkt in den nächsten Monaten ohne allerdings auch nur einen einzigen zumindest halbherzigen Befreiungsversuch zu unternehmen. Aber wehe, es kommt in Massen, nass, auf der Strasse.

Nun, die Ermahnungen und die Zeigefinger jucken kaum Jemanden. Nasses Herbstlaub wird nicht ernst genommen. Schließlich gibt’s auch keine Herbstreifen, eigentlich komisch. Wäre doch eine nette Marktlücke, Reifen mit Ahornblatt-Ausstanzungen, mit denen man problemlos über alle herbstlichen Gefahrenquellen hinweg düst. Da ist der Schritt zu Frühlingsreifen natürlich nicht weit, wer weiß, in was sich Blütenpollen so alles verwandeln, wenn man sie erst mal auf die Strasse lässt.
Doch richtig gute Hinweise sind nicht zu erwarten in solch gefährlichen Tagen.
Der "Automobilclub Kraftfahrerschutz" rät dazu, den Fuß vom Gas zu nehmen und den Abstand zu vergrößern.
Super!
Aber jetzt sind wir doch mal ehrlich, bringt uns das wirklich weiter?
Rät der "Meteoritenclub Erdbewohnerschutz" vor dem drohenden Aufprall eines Kometen, in die Hocke zu gehen und den Kopf einzuziehen?
Selten.
Schließlich muss man in allen gefährlichen Situationen im Straßenverkehr den Fuß vom Gas nehmen, es sei denn, ein wütender Stier hat das eigene rote Auto entdeckt, dann hat der Bleifuß Vorfahrt. Das alles erweckt den Eindruck, dass sich die Experten im Herbst melden, weil sie im Sommer außer Ferienstautipps nichts zu erzählen hatten. Einen guten Tipp hatte man aber doch, denn wer tatsächlich gegen das Laub den Kürzeren zieht und vom rechten Weg in Form der Fahrbahn abkommt, kann ruhig 80 Stundenkilometer draufhaben, solange man über einen Acker hoppelt. Das wäre besser, als mit 30 Km/h irgendwo aufzuprallen. Das ist natürlich alles schön und gut, wenn sich abseits der Straße tatsächlich ein Acker befindet und nicht etwa eine sture Hauswand, die nur selten bereit ist nachzugeben.

Nun ja. Schön wäre es, mal einen richtigen Experten zu fragen.
Michael Schumacher.
Der hat ja jetzt schließlich Zeit. Und ganz viel Geld. Aber auch hier gibt’s Probleme: die Formel Eins-Strecken, die der Kerpener so im Laufe der Jahre mit seiner roten Rikscha beackert hat, waren grundsätzlich frei von bösem Laub? Und warum? Weil am Streckenrand keine Bäume stehen. Nicht gerade naturfreundlich, die Herren Briatore und Co.
Aber vielleicht kann er ja trotzdem helfen der Schumi, Zeit hat der jetzt ohne Ende, einen ganzen Batzen voller Zeit, in denen er sich prima mit anderen Supersportlern von einst treffen könnte, die auch alle fuuuurchtbar viel Zeit haben und nichts mit ihr anzufangen wissen.
Das gipfelte in einer lustigen Zeitungsschlagzeile, BILD fragte: „Wird Schumi jetzt unglücklich?“ Und darunter, über die komplette halbe Seite: „650 Millionen und nichts zu tun!“

Die meisten von uns wären vermutlich auch kreuztraurig, wenn sie mit so wenig Geld derart früh in den Ruhestand gehen müssten. Wüssten weder ein noch aus, wachten morgens auf mit schrecklichen Gedanken: “Wohin bloß mit all dem Schotter? Soll ich wieder nach Deutschland und ordentlich Steuern nachzahlen? Oder mach ich es wie Boris und gebe den Großteil in einer Besenkammer aus?“
Weder das eine noch das andere käme für den Micha in Frage, also keine Steuern in Deutschland und keine seltsamen Schwangerschaften mit anderen Frauen. Trotzdem kommt man in Deutschland nicht drum rum, den ausgereisten Steuergeldern hinterher zu keifen, ach all das schöne Steuergeld, man könnte Leute einstellen, die permanent die Strassen laubfrei halten, ach der Schumi, der ist Schuld an der desolaten Verkehrssituation in unserem Land.
Aber all das Geheule ist nur der Tropfen auf’s trockene Blatt, es juckt sie nicht, die Reichen und wer will es ihnen verdenken? Stattdessen sollte man bitte den umgekehrten Weg gehen und furchtbar wohlhabende Menschen in Germany einbürgern, auf das sie hier ihr Geld in Schubkarren zum Finanzamt schubsen. Also, Kaiser von China, Sultan von Brunei und Frau Roberts aus Hollywood, bitte kommen sie doch hinüber in unser Land. Wir hatten hier mal ne klasse WM. Und auch sonst hat unser Staat so einige Vorzüge. Frau Roberts könnte endlich in der Lindenstrasse auftreten, ach, wie wäre das schön.
Das Problem von satanischem Laub auf den Strassen wäre mit derart hohen Einnahmen im Steuersäckel auch sofort gelöst, denn an jedem KFZ könnte man nun problemlos auf Staatskosten einen Laubsauger am Frontspoiler installieren.
Der muss dann nur noch durch den TÜV, der mittlerweile von Michael Schumacher geleitet wird.
Der hat ja sonst nichts zu tun.

20.10.06

Pennys Wochenrückblick 70: Von verpflichtenden Berichten, die untere Schichten sichten!

Hier haben wir Kurt Beck.
Kurt Beck ist der gemütliche Pfälzer-Steiff-Teddy der SPD, dem irgendwie der Knopf im Ohr abhanden gekommen ist.
Der Kurt Beck ist kein Dummer, denn er hat nach der Durchlese einer Studie eine Erkenntnis gewonnen, zu der wir vermutlich auch längst gewonnen hätten, wenn wir gemütliche und dicke Pfälzer in der Politik wären, die Studien vorgelegt bekommen würden.
Die Erkenntnis: wir haben eine Unterschicht.
Dort haben wir Franz Müntefering.
Niemand auf der Welt rollt das „R“ mit so viel Leidenschaft, nicht mal Edmund Stoiber. Wenn der Herr Müntefering in Interviews der großen weiten Welt, die irgendwo hinter der Kamera gespannt den Atem anhält, einen komplizierten Sachverhalt erklären möchte, dann weicht der nette Herr auf Fußballrhetorik aus. Denn das ist eine Sprache, die auch noch der letzte Knispel aus dem letzten Stall mit Fernsehantenne begreift. Da wird die große Koalition als kickende Mannschaft versymbolisiert, dass es nur so kracht am rhetorischen Pfosten. Man müsse vorne nicht nur Dinger rein machen, sondern hinten auch verteidigen. Oder anders gesagt: man muss Steuern erhöhen und darf den Leuten aber nix zurückgeben. Irgendwie so meint er das immer, der Herr Müntefering.
Dem ist übrigens auch eine Erkenntnis gekommen.
Die Erkenntnis: In Deutschland gibt es keine Schichten.

Solche Aussagen sind bemerkenswert hoch Acht, bedenke man doch, dass der Beck-Teddy und der R-Roller aus ein und derselben Partei kommen.
Richtig schlimm sind allerdings die Reaktionen auf die Erkenntnisse der beiden Vollblutpolitiker.
Denn „Unterschicht“, das sagt man nicht. In der Studie heißt es „soziales Prekariat“, was aber irgendwie auch nicht toller klingt und im Gegensatz zum Wort „Unterschicht“ nicht mal meiner Word-Rechtschreibprüfung bekannt ist.
Nichts desto weniger: Unterschicht, da war man sich in der Politik schnell einig, ist ein gar schröööööckliches Wort. Das leistete dem Verdrängungsgedanken einen wunderbaren Vorschub, woraus ja Herr Müntefering seine Erkenntnis zog.
Es gibt keine Schichten. Das muss man erst mal sacken lassen, begegnen wir doch täglich Menschen, die durch diverse Schulabschlüsse und unterschiedlichen Bewerbungsbemühungen mehr oder weniger Geld als andere verdienen. Wer also den aus der Tüte trinkenden Brückenuntermieter mit dem Kaviarknuspernden Milliardär auf eine Stufe stellt, der bekommt in Weltfremdheit von Angela Merkel eine Eins mit Sternchen.
Auf jeden Fall tun alle Politiker ganz furchtbar überrascht. Ganz so wie der Rest des Volkes kurz vor Weihnachten.
Da schreien alle: „Huch! Weihnachten! Jetzt muss ich aber noch Besorgungen machen!“
In der großen Koalition schreit man:
„Huch! Unterschicht! Jetzt muss ich aber erst mal den Koalitionspartner niedermachen!“
Während man sich also im Bundestag gegenseitig bis zur Bewegungslosigkeit mit Schuldzuweisungen zukleistert, können wir ja weiter Unterschichtenfernsehen gucken. Dieser Begriff ist übrigens hochoffiziell erlaubt und weit entfernt, von schwer überraschten Politikern angefochten zu werden.

Denn die privaten Fernsehsender verfolgen nun mal keinen Bildungsauftrag, wieso auch.
Gibt genug Menschen, die sich Tag für Tag schon um acht Uhr morgens anschauen, wie Walter Freiwald auf RTL unschuldige Parkettbruchstücke mit einem Dampfreiniger traktiert und das Reinigungsgerät dabei als größte Erfindung seit dem elektrischen Licht anpreist. Ein paar Stunden später geht es in interessante Gerichtssäle, in denen schwachsinnig Fälle nachgespielt werden, die so hoffentlich noch in keinem echten Justizgebäude stattgefunden haben. Zappt man dann nach der dritten Sendung in Serie hoffnungsvoll auf einen anderen Sender, werden Wohnungen eingerichtet, Anrufern Karten gelegt, Prominente auf’s Glatteis geführt.
Schon der tiefere Sinn und der Grund des vorsätzlich geplanten Einschaltens einer „Dokutainment“-Show, in der übereifrige Eichrichterinnen armen Familien das Originelle aus der Wohnstätte herausrenovieren wird mir vermutlich erst klar, wenn Heidi Klum bereits Uroma wird. In solchen Shows wohnt niemand schön. Alle wohnen wie die Unterschicht und so kann sich keiner wohl fühlen. Also kommt Tine Wittler mit ihren Möbel-Guards, die Familie wird rausgeschmissen und dann wird gehämmert, geschraubt, gestrichen und gedübelt bis der Morgen graut. Dann kehrt die Familie zurück ins ungewohnte Heim und kommt vor lauter Verzückung aus dem Staunen nicht mehr heraus, offene Münder füllen sich randvoll mit bittersüßen Tränen, endlich und juchhei, ein neuer Schrank, eine neue Farbe an der Wand, eine neue Eieruhr. Ein neues Leben. Und der mutmaßlich antriebslose nicht so reiche Mittelschichtler hockt zynisch vorm Fernseher und sagt sich:
„So un getz kann die Tine ma zu mir komm. Der leere Bierkasten muss noch inne Sparmarkt gebracht werden.“

Zur feinsten Abendunterhaltung kann man sich dann noch vergewissern, dass wenig bekannte Prominente wirklich jeden Mist machen, um an ihrem Status „wenig bekannt“ etwas zu ändern, dabei aber vergessen, dass außer „sich lächerlich machen“ nix geändert wird. Da küsst der Herr Ottke den kalten Boden und die Ruth Moschner grinst wie ein Eis laufendes Honigkuchenpferd. Aber hinterher sind wir halt auch nicht schlauer, warum und wieso diese Menschen da jetzt die arme und frisch polierte Kaltfläche mit ihren Schlittstampfern vergewaltigen.
Dann kommt Werbung.
Früher war man schwer erbost, wenn die kam.
„Jetzt ist all die Spannung weg“, schimpfte man wie ein Rohrspatz bei der filmischen Intervention geldgeiler Markenfirmen. Heute ist der Fall ein bisschen anders, denn wenn nach der Konsumentenklatsche nur noch der fertig aufgebaute Schlafzimmerschrank von Frau Sauerbier auf den Zuschauer wartet, dann ist man über ein paar Verbrauchertipps vielleicht nicht unglücklich. Nicht aber, wenn die Werbung von Kik kommt. Dann krakeelt das glasscherbenbellende Markenzeichen-T-Shirt der Firma einen weiteren Preishammer:

Unterschichtenteddy, Modell Kurt Beck, für nur 1,99. Brennt beim ersten anzünden.

In der Politik ist man in der Zwischenzeit nicht weitergekommen. Statt also Konzepte aus der Schublade zu holen (was ja auch zu viel verlangt wäre, schließlich wusste man bis letzter Woche nicht mal, dass es Armut gibt in unserem Land), diskutiert man lieber wer Schuld hat an dem ganzen Dilemma. Die Union ist sich dabei nicht zu schade, die rot-grüne Regierung von einst anzuflachsen, vor allem den federführenden Oberhäuptling in der Gestalt von Gerhard Schröder, der Herrn Hartz nicht bis „Fünf“ zählen ließ. Nach diesem Schema könnte man ja ruhig noch weiter in die Vergangenheit reisen, husch husch und hinein in die Zeitmaschine, vorbei an Napoleon, am Mittelalter, an der Zeit, in der Dinosaurier auf der Erde zarte Pflänzchen niedertrampelten.
Man kann ruhig ein paar Jahrhunderte zurück, Zwischenstopps bei den Ägyptern und Römern einlegen, dem Jesus kurz guten Tag sagen und dann konsterniert und mit voller Spucktüte aus der Zeitmaschine steigen und zu Protokoll geben, dass es schon zu allen Zeiten Schichten und noch größere Armut gegeben hat, als das wohl heute der Fall ist.
Ist halt alles eine Frage der Perspektive, wenn man mal näher drüber nachdenkt.
Wenn man nicht mehr weiter weiß, dann bildet man nen Arbeitskreis. Und heraus kommt wieder nur eine lächerliche Diskussion zur Erhöhung der Reichensteuer.
Aber unsere Damen und Herren aus der politischen Kaste, die sollten lieber nicht zu stark oder zu lang nachdenken und bloß aufhören, irgendwelche Studien in Auftrag zu geben.
Nicht dass noch einer auf die Idee kommt, dass es in Afrika ein Hungerproblem gibt.
Doch dann ist die SPD vorbereitet, dann hat man ein Konzept, dann richtet man eine
Task-Force ein, die Beck-Street-Boys, die mal eben so im Vorbeigehen die Welt rettet.
So wird’s sein.
Halleluja.







Ein Jahr ist rum. Zwar folgt der 52. Rückblick erst in der nächsten Woche, aber heut genau vor einem Jahr wurde diese Seite ins Leben gerufen. Ein dickes Dankeschön gilt an alle Lesern, die bis heute treu und brav Woche für Woche auf die Seite schauen, um sich das durchzulesen, was ich schreibe.
Im ersten Jahr wurde www.pennys-wochenrueckblicke.de immerhin 22.000 mal angeklickt und Woche für Woche finden ca. 350-400 Leute den Weg auf die Seite.
Fertig bin ich noch nicht!
Es gibt noch zuviele Dinge, über die berichtet werden muss, zu vieles ist noch unbeleuchtet. Deswegen geht es nächste Woche weiter!
Ich werde mich noch bei allen etwas ausführlicher bedanken. Doch dazu braucht es aber noch zwei Monate Zeit. Ende Dezember gibt es dazu Neuigkeiten.
Bis nächste Woche

MrPennywise :)

13.10.06

Pennys Wochenrückblick Folge 69: Alle Daumen nach oben! Für den Krankenpflegermultimillionär!

Erinnert ihr Euch noch an meinen Bekannten? Genau! Der, der mir mit seinem Wettergequatsche den letzten Nerv geraubt hat.
Kommt der also Dienstag zu mir, der Kopf rot wie ein zorniger Feuerlöscher.
„Sonne Scheiße!“
Grundgütiger, denk ich nur und frage mich, ob ich ihm die Tür vor der Nase zuknallen soll. Ob er dann sauer ist? Nicht mehr mit mir redet? Oder ob er dann einfach weiter vor der Tür stehen bleibt und seine Schimpftirade in das gepresste Holz hustet.
„Sonne Scheiße!“…nur gedämpfter.
Aber ich kann ja so was nicht, einfach jemandem die Tür vor der Nase zuknallen. Das geht noch nicht mal bei den Zeugen Jehovas, zumindest die ersten Schritte auf dem Weg zur absoluten Erleuchtung muss man über sich ergehen lassen, um dann freundlich darauf hinzuweisen, dass die Hölle schon auf Erden sei und Erleuchtung da nicht weiterhilft.
Wenn man da einfach nur die Tür zuknallt, fühlen die Wachturm-Yuppies sich nur in ihrem Tun und Denken bestätigt und kommen in drei Wochen wieder.
Meine Hand, die die Tür festhält, zittert merklich. Denn meinem Bekannten treten mittlerweile die Augen ein bisschen aus dem Kopf. Was hat er bloß? Draußen scheint die Sonne, die Luft wird von angenehmer Temperatur begleitet.
„SONNE SCHEISSE!“
Er stürmt an mir vorbei, in die Wohnung hinein. Nun ist es zu spät. Jetzt hab ich jemanden im Wohnzimmer stehen, der mir etwas über Fäkalien erzählt, ein toller Tag.
Und Tür zuknallen, das bringt jetzt auch nichts mehr.
Ich schaue ihn fragend an, denn jegliche Provokation könnte ja auch seine Halsschlagader einfach zum Platzen bringen. Zumindest ist das mein Eindruck.
„Sonne Scheiss Zahlen!“
Ah!
Er meint nicht die Temperatur, er meint die Lottozahlen.
„Sechs Richtige hab ich!“ brüllt er, als wenn das etwas wäre, worüber man sich nicht freuen sollte.
Ich schaue ihn an, meinen Bekannten, der sich über das Wetter und sechs Richtige im Lotto aufregt, sehr fragend schaue ich ihn an, bevor ich vorsichtig einen verbalen Vorstoß in die wutwabernde Wolke seiner mir nur schwer zugänglichen Seele wage.
„Was ist denn an sechs Richtigen so schlimm?“
Warten.
Noch ein Moment.
Da! Der Verbal-Vulkan bricht aus!
„WEIL SE NICH IN EINER REIHE SIND! Sind nur zwei mal drei Richtige“
Mehr als ein knappes „Oh!“ fällt mir darauf nicht ein.
Mein Bekannter stapft über meinen Wohnzimmerteppich und krümelt ihn mit seinem Stiefelschmand voll. Als Jackpotgewinner könnte dürfte er meinen Teppich auch gerne vollreihern, aber mit zwei mal drei Richtigen...
Erst jetzt bemerke ich, dass er die zerknüllten Lottoscheine in der Hand hält und ziemlich heftig knetet.
„Hömma“, sagt er, immer noch im Höchstzustand öffentlicher Erregung, „wenn ich einfach die beiden drei Richtigen addier, is das dann nich auch wie n Sechser?“
Ich erkläre ihm kurz die Grundregeln des Lottospiels und dass ihm ein 41-jähriger Krankenpfleger aus Nordrhein Westfalen zuvorgekommen ist.
Mit einem echten Sechser.
Inklusive Superzahl.
Nun, statt es einzusehen, wechselt die Gesichtsfarbe auf „ziemlich nah an violett!“
„'N Krankenpfleger? Und er will was, sagst du?“
„Weiter arbeiten!“, zitiere ich fröhlich diverse Nachrichtenagenturen.
Mein Bekannter schmeißt den Lotto-Papier-Ball auf den Boden. Statt eines stählernen BONKs, welches er vermutlich erwartet hat, ist lediglich ein faltiges Pft zu vernehmen.
„WEITER ARBEITEN? JA GEHT’S NOCH? DEM GÖNNEN WIR ES ABER!“
Ich sage, dass er das nicht tut und dass das Schwachsinn ist. Niemand gönnt es jemandem mehr als sich selber, da kann man ruhig ehrlich sein und…
„DAS WAR NUR IRONIE!“ brüllt mein Bekannter.
„Ach so!“, sag ich.
Na ja. Ich weise ihm den Weg zur Tür. Auf der Schwelle dreht er sich noch einmal herum.
„Sonne Scheiße!“
Ich schaue ihn wieder nur fragend an.
„Das waren einfach nur Scheiß Zahlen. Hat die BILD auch geschrieben. Scheiß Zahlen waren das. Alles über 28. Eine Frechheit.“
Ich schicke ihn nach Hause, sage ihm, er soll hinfort gehen mit seinem zerknüllten Lotto-Papier-Ball und rufe ihm noch einen kleinen Monolog hinterher, dass die so genannten Scheiß-Zahlen, die am Samstag gezogen wurden mit der gleichen Wahrscheinlichkeit in den Lotto-Uterus fallen, wie jede andere Zahlenkombination auch UND dass es für jeden einzelnen Spieler Scheiß-Zahlen waren, abgesehen von unserem weiterarbeitenden Krankenpflegermultimillionär.

Endlich ist die Tür zu.
Ich habe also Zeit, über ein originelleres Rückblicksthema nachzudenken, statt einfach nur den uralten und bitteren Kaffee der letzten Woche noch mal in die literarische Mikrowelle zu stellen. Aber mir fällt partout nix in den Kopf. Schuld ist natürlich der Bekannte, der hat mich mit seinem roten Schädel um den kreativen Verstand gebracht. So sitze ich also da und hoffe einfach nur auf nächste Woche…

6.10.06

Pennys Wochenrückblick Folge 68: Sechs Zahlen für ein Halleluja und das Kreuz mit dem Tippschein!

Deutschland schlendert in dieser Woche nicht!
Wirklich nicht!
Nein, Deutschland hetzt und rennt, man rammt sich gegenseitig entschlossen die Nordic Walking Stöcke in die künstlichen Hüften und legt dem einen oder anderen auch mal eine Bananenschale vor den Schuh!

Wir sind Lotto!

Fünfunddreißig Millionen Euro aus einem Topf, dessen Deckel die meisten von uns niemals öffnen werden, lassen unser Volk in eine Art Tipp-Starre verfallen, in der nur noch die Kreuzchenbewegung mit dem Kuli möglich ist.
Landauf und landab setzt jegliches rationale Denken einfach aus, wir rennen in die Lottobüdchen und schmieren die Zettel voll, als gäbe es kein Morgen mehr.
Damit hier gleich keine Missverständnisse aufkommen:
Die Wahrscheinlichkeit, diesen 35 Mio-Pot zu knacken, sie ist nicht gerade groß. Das muss im Wahn ja auch mal gesagt werden. Im Lottofieber. Eins zu 135 000 000.
Viele haben einfach keine Vorstellung davon wie ungeheuer klein diese Wahrscheinlichkeit ist, dieses schreckliche Unwissen gipfelt darin, dass sehr viele dann das alte Erklärungsklischee aus der muffigen Tasche faltiger Definitionen herausholen, in der man beim „Kacken“ vom Blitz getroffen wird. Wenn wirklich mal ein derartiges Unglück geschieht, kann man nur beten und den Blitz kurz bitten, einen wenigstens noch abputzen zu lassen. Sonst stehen peinliche Sachen auf dem Grabstein.

Ein Matheprofessor drückte es plastischer aus:
Man setze sich in eine Stretchlimousine lasse sich mit verbundenen Augen und einem Kieselstein in der Hand von Hamburg bis nach Mailand kutschieren. Irgendwo auf dieser ja doch recht langatmigen Strecke von der Hansestadt ins italienische Modeparadies steht ein dünner Stab am Straßenrand herum. Die Wahrscheinlichkeit, den Lottopot zu knacken entspricht der Wahrscheinlichkeit, mitten auf dieser Strecke das Fenster hinunterzukurbeln, den Stein rauszuschmeißen und den Stab zu treffen. Faszinierend, nicht wahr? Manche haben aber selbst da Pech und treffen stattdessen den Kopf eines Polizisten und schon verbringt man die Nacht in einer nassen Zelle, Stretchlimo hin oder her. Und dünne Models in Mailand mit dem Kieselstein zu bewerfen, das zählt leider auch nicht.
Aber ist Latte, wir sind Lotto und flippen aus. Was sehr interessant ist, weil das Austickverhalten sich bei – wie drück ich’s aus, ohne von Globalisierungsgegnern geteert und gefedert zu werden – „Peanut-Jackpots“, die sich so um die lächerlichen 5 Millionen Euro bewegen, im Ruhebereich befindet. Frei nach dem Motto: Für fünf Millionen Euro mach ich doch keine Kreuze aufs Papier.
Was aber immer alle ganz genau wissen ist, wie sie den Zaster unter die Leute bringen.
Ich würde da auch nicht lange zögern und dem Siemensvorstand direkt sein Gehalt erhöhen, auf das er ja in der letzten Woche so leidvoll verzichten musste. Da ja dann immer noch 34 Millionen übrig bleiben, gräme ich mich aber nicht und durchforste den Dax nach weiteren Not leidenden Firmen mit bettelarmen Vorständen. Aber ich bin ja kein Maßstab. Eine zwölffache Mutter würde vielleicht für 35 Millionen Ocken 17,5 Millionen Babystrampler bei Kik kaufen. Nur für den Fall der Fälle, dass man mal wieder die Pille vergisst.

Aber es gibt auch Promis, die das Geld wohlüberlegt investieren würden:
Der Ministerpräsi von Schleswig Holstein, Herr Carstensen, würde sein eigenes Treibhaus mit Schmetterlingen bauen. Und darin würde er dann Erdbeeren und Kiwis anbauen.
Gut, vollgekotetes Obst gäbe es aber für sehr viel weniger Geld beim Bauern um die Ecke oder in nicht ganz so hygienischen Supermärkten.

Daniel Küblböck dagegen würde eine Astronautenbildung machen und dann mit ein paar heißen Mädels auf den Mond fliegen und dann auf die Erde runterspucken. Diese Entscheidung wäre aus mehreren Gründen zu begrüßen, auf dem Mond gibt es nämlich keine Gurkenlaster, der Gesichtsausdruck von Herrn Kübi wäre entzückend, wenn er merkt, dass es vom Mond aus recht schwierig ist, die gute alte Mutter Erde anzurotzen und noch gespannter wäre ich auf die Reaktion, wenn er hört, dass die Restkohle für die Rückreise zur Erde leider nicht mehr reicht.

Wolfgang Lippert, der sich nun endlich auch mal wieder zu irgendwas äußern dürfte – lang genug hat’s ja gedauert – würde ganz uneigennützig und kaum selbstverliebt einen Film drehen, in dem nur die mitspielen, die er gut leiden kann. Und wenn die nichts dagegen haben, würde er auch mitmachen! Gut, das eine schließt das andere schon mal aus. Vielleicht könnte man ja eine 5 Minutenversion von Herr der Ringe 4 abdrehen. Hobbit Lippert findet den Ring am Wegesrand, Sauron kommt gerade mit Nordic Walking Stöcken den Bordstein entlang (richtig: er will zu Lottobude) und dann macht es Klatsch und Platsch und schon hat das Böse die Macht. Klasse.

Kai Sander, ein Elektriker und Nichtpromi wollte schon immer mal ins Weltall, müsste dann aber aufpassen, dass er nicht mit den frei schwebendem Körperflüssigkeiten des Herrn Küblböck in Kontakt gerät, weil dann eine Rückkehr zur Erde aufgrund erhöhter Infektionsgefahr – ein kleiner Daniel könnte kreischend aus dem Bauch herausstoßen – ebenfalls ausgeschlossen ist.

Coleen Fernandez, die bei RTL Explosiv zu gut und gerne siebentausend Themen ihre Meinung abgeben darf, würde das Geld gar überhaupt nicht annehmen wollen, weil sie ja jetzt schon keine Männer kennen lernen würde, die nicht ein Problem damit hätten, dass die Frau mehr verdient als der Kerl. Ja, ich gebe zu, da wäre ich auch total Macho. Wäre ich Single und die frisch geröstete Lottomillionärin Fernandez würde vor mir stehen, ich würde sie wegstoßen mit den Worten:
„Hinfort, holde Maid, sie…ja sie sind mir wahrlich einen Tacken zu reich. Selbst wenn ich nur ein paar Wochen später 28 Millionen Euro so mir nichts dir nichts gewinnen würd, ich könnt nicht mit einer Frau zusammenleben, die 7 Millionen mehr hat als ich.“
Was zu der Frage führt: Dürfen Prominente Menschen ihre Antworten nicht noch mal überdenken, bevor siein der Zeitung veröffentlicht werden?
Scheinbar nicht.
Am Ende gewinnt den Pot aber irgendeine allein erziehende Mutter aus Köln-Holweide, die „ganz normal weiterleben“ und am nächsten Morgen „pünktlich wieder zur Frühschicht gehen“ würde.
Da haben dann alle Nichtgewinner ihren wunderbaren und sonnendurchfluteten Auftritt.
„Der gönnen wir es aber, oder?“
„Ja, der gönnen wir’s!“
„Also, der gönnen wir es so was von doll. Das gibt’s gar nicht, wie wir der das gönnen!“
Und ganz tief in uns drin, in einer echt versauten und unaufgeräumten Ecke unserer schwach beleuchteten Seele denken wir heimlich still und leise, wenn keine andere Seele zuhört:
35 Millionen und dann pünktlich zur Frühschicht?
Mann, ist die vielleicht bekloppt!

Ich geh jetzt mal nen Schein ausfüllen

Bis nächste Woche